
Mit der Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland Ursula Marquardt (Mitte) von Minister Peter Hauk (rechts) ausgezeichnet. Bürgermeister Michael Seiß (links) würdigte das Wirken seiner Mitbürgerin. Foto Georg Kost
FRIOLZHEIM, 04.07.2025 (rsr) – Wenn Kinder aus dem Nichts heraus ihre gewohnte Umgebung verlassen müssen, wenn das Jugendamt oder die Polizei mitten in der Nacht dringend eine sichere Unterkunft suchen – dann braucht es Menschen, die sofort da sind. Menschen, die ihr Zuhause öffnen und Verantwortung übernehmen. Ursula Marquardt aus Friolzheim ist über Jahrzehnte hinweg genau dieser Mensch gewesen. Für ihr außergewöhnliches, stilles und überaus wirksames Engagement als Pflegemutter wurde sie nun mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Die feierliche Ehrung fand am Donnerstagabend im Rathaus Friolzheim statt. Überreicht wurde die Medaille von Minister Peter Hauk im Auftrag von Ministerpräsident Winfried Kretschmann – im Beisein von Familie und Weggefährten. Bürgermeister Michael Seiß, als auch Minister Peter Hauk würdigten das Engagement von Ursula Marquardt.
Ursula Marquardt war nahezu fünf Jahrzehnte – seit den späten 1970er-Jahren – als Pflegemutter tätig. In dieser langen Zeit betreute sie rund 140 Kinder, die aus unterschiedlichsten Notlagen heraus in ihre Obhut übergeben wurden. Häufig geschah dies kurzfristig, oft mitten in der Nacht, wenn das Jugendamt oder die Polizei in Eilfällen eine sichere, familiäre Unterbringung finden musste. Ursula Marquardt war für solche Situationen über viele Jahre hinweg eine verlässliche Ansprechpartnerin – immer dann zur Stelle, wenn es besonders dringend war.
Ihre Form der Bereitschaftspflege verlangte ein hohes Maß an persönlichem Einsatz, emotionale Stabilität und die Fähigkeit, sich schnell auf neue, oft belastete Kinderschicksale einzustellen. Die Kinder, die sie aufnahm, kamen in der Regel aus schwierigen, teils traumatischen Verhältnissen. Marquardt schenkte ihnen für eine gewisse Zeit nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern vor allem Sicherheit, Struktur und ein Gefühl von Geborgenheit. In vielen Fällen war sie die erste verlässliche Bezugsperson nach einschneidenden Erlebnissen.
Was ihre Tätigkeit besonders heraushebt, ist nicht nur die Zahl der betreuten Kinder, sondern auch die Konstanz ihres Einsatzes über fast fünfzig Jahre hinweg. Währenddessen zog sie zudem drei eigene Kinder groß – eine beeindruckende Doppelleistung, die verdeutlicht, mit welcher Selbstverständlichkeit sie Verantwortung übernahm.
Die Arbeit von Ursula Marquardt erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Enzkreis sowie der Stadt Pforzheim. Sie gehörte zu jenen Menschen, die dann einspringen, wenn soziale Strukturen an ihre Grenzen kommen. Ihre Pflege erfolgte in einem privaten, familiären Rahmen – fernab öffentlicher Aufmerksamkeit, aber mit umso größerer Wirkung für die Kinder, die bei ihr Schutz fanden.
In seiner Laudatio stellte Bürgermeister Michael Seiß das Lebenswerk Marquardts in den Mittelpunkt. Er würdigte nicht nur ihre Fürsorge, sondern auch ihre Fähigkeit, Kindern neue Perspektiven zu eröffnen, Vertrauen zu vermitteln und ihnen den Mut zu geben, ihren eigenen Weg zu gehen.

Verlesung der Verleihungsurkunde durch Minster Peter Hauk. Foto Georg Kost
Auch Minister Peter Hauk betonte den hohen ideellen Wert dieses Einsatzes – gerade in einer Zeit, in der familiäre Pflege mehr denn je ein tragendes Element des Kinderschutzes darstellt.
Die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland ist ein sichtbares Zeichen der Anerkennung für eine Lebensleistung, die im Stillen erbracht wurde, aber nachhaltige Wirkung zeigt.
Ursula Marquardt hat über Jahrzehnte hinweg Kinder in Not aufgenommen, ihnen Halt gegeben und ihnen die Chance auf einen Neuanfang ermöglicht. Ihre Arbeit steht für Mitmenschlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und gelebte Solidarität – und ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie individuelles Handeln das Leben vieler positiv verändern kann.
Die Gemeinde Friolzheim ehrte mit großer Wertschätzung eine Bürgerin, die durch ihr Wirken maßgeblich zur sozialen Stärke ihrer Gemeinschaft beigetragen hat. Ursula Marquardts Lebenswerk verdient nicht nur Dank, sondern auch höchste gesellschaftliche Anerkennung.