
Prof. Dr. Frauke Sander (l.). und Prof. Dr. Nadine Walter begrüßten Prof. Dr. Bernd Kleine-Gunk herzlich im Audimax der Hochschule Pforzheim. Foto: Cornelia Kamper / Hochschule Pforzheim
PFORZHEIM, 14.04.2025 (pm) – Ist Altern eine behandelbare Krankheit? Dieser provokativen Frage widmete sich Professor Bernd Kleine-Gunk im Rahmen des Studium Generale an der Hochschule Pforzheim. Im gut gefüllten Audimax zeigte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventions- und Anti-Aging-Medizin in seinem ebenso fundierten wie unterhaltsamen Vortrag aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Bereich „Longevity“ – also der Kunst, nicht nur länger, sondern auch gesünder als der Durchschnitt zu leben.
„Altern ist die Mutter aller Krankheiten“, beantwortete Kleine-Gunk die zentrale Frage. Tatsächlich sind laut WHO rund 90 Prozent aller Todesursachen altersassoziiert. „Zigarettenrauchen steigert das Risiko eines Herzinfarktes um das Achtfache – ist man aber zwischen 60 und 65 Jahren, erhöht sich dieses Risiko im Vergleich zu einem 30-Jährigen sogar um den Faktor 26“, stützte Kleine-Gunk diese These beispielshaft anhand von konkreten Zahlen. Allein das Alter sei damit einer der größten Risikofaktoren überhaupt – und genau dort setze die sogenannte Longevity-Forschung an: Wie können wir Altern verlangsamen oder das biologische Alter sogar zurückdrehen?
Vom Molekül bis zum Mindset – welche Faktoren das Altern beeinflussen
Um dies zu beleuchten, stellte der Mediziner in seinem Vortrag zunächst die sogenannten „Hallmarks of Aging“ vor – zwölf wesentliche Faktoren, die maßgeblich daran beteiligt sind, dass der Körper altert. Die wichtigsten dieser Prozesse und die passenden Interventionsstrategien, präsentierte er den gespannten Zuhörer*innen. „Auch Ihr Auto das rostet oder ranzige Butter sind davon betroffen“, schmunzelte der Experte zum Thema oxidativer Stress. Ein Prozess, der im Körper freie Radikale fördert – aggressive Moleküle, die Zellstrukturen angreifen und schädigen. Doch unser Lebensstil kann dem entgegenwirken: eine Ernährung, die reich an natürlichen Antioxidantien ist, beispielsweise mit frischem Obst, Gemüse, Nüssen oder Olivenöl, könne helfen, diesen schädlichen Prozess zu bremsen. Vitaminpräparate allein seien keine Lösung, warnte Kleine-Gunk. „Mikronährstoffe wirken meist im Verbund, weshalb einzelne Präparate wie Vitamin C Pillen wenig bewirken.“
Auch unterschwellige Entzündungen im Körper, sogenannte „Silent Inflammations“, gelten inzwischen als Motor vieler Erkrankungen, die im Alter auftreten – von Herzinfarkten bis zur Demenz. Besonders spannend: Auch unscheinbare Faktoren wie die Zahngesundheit spielen dabei eine Rolle. „Wenn Sie zweimal im Jahr zur professionellen Zahnreinigung gehen, leben Sie länger“, so der Mediziner augenzwinkernd – mit ernstem Kern. Wer eine chronische Parodontitis hat, sei eher anfällig für Herzinfarkt und Demenz.
Ein weiteres Problem: Zucker. Nicht nur wegen seiner bekannten Rolle bei Übergewicht und Diabetes, sondern auch, weil er im Körper Eiweiße „verklebt“. Dies kann zu einer Versteifung der Gefäße führen und das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Arteriosklerose erhöhen. Doch der Anti-Aging Experte machte zugleich Hoffnung: „Wir kommen mittlerweile langsam dahin, Altern medikamentös behandeln zu können“, erklärte er anhand von Metformin, einem Diabetikermedikament, das derzeit in einer vielversprechenden Studie weiter untersucht werde. „Man hat festgestellt, dass Diabetiker, die Metfortmin nehmen, teilweise sogar länger leben als Menschen ohne Diabetes“, so der Arzt.
Mit zunehmendem Alter geraten jedoch auch die sogenannten Mitochondrien aus dem Takt – die „Kraftwerke unserer Zellen“. Sie produzieren weniger Energie, gleichzeitig steigt die Menge an schädlichen Nebenprodukten. Während manche zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen, hat die Wissenschaft eine klarere Empfehlung: Bewegung. „Sport ist das beste Anti-Aging-Programm“, betonte Kleine-Gunk. Wer sich regelmäßig bewegt, sorge dafür, dass der Körper neue, funktionstüchtige Mitochondrien bildet – und damit neue Energiequellen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, wie der Körper mit den Abfällen umgeht, die im Laufe der Zeit anfallen. Mit fortschreitendem Alter häuft sich sogenannter „zellulärer Müll“ an, der die Funktion von Zellen und Organen beeinträchtigen kann (Accumulation of microbiological garbage). Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die sogenannten Lipofuszin-Ablagerungen, die als Altersflecken sichtbar werden. „Die Frage, wer den Müll „rausbringt“, ist nicht nur eine Herausforderung für WGs – auch im menschlichen Körper stellt sich diese Frage im Alter immer drängender“, scherzte der Wissenschaftler. Hier komme das Fasten ins Spiel: Wenn wir die Nahrungsaufnahme verringern, nutzt der Körper den „zellulären Müll“ und recycelt ihn, um Energie zu erzeugen. Dies geschieht im Rahmen eines Prozesses, der als Autophagie bekannt ist. Fasten aktiviert diese Zellreinigung und fördert die Regeneration.
Zukunftsperspektiven und praktische Ansätze: Hightech trifft auf Tradition
Neben biologischen Mechanismen rückte Bernd Kleine-Gunk auch den Blick in die Zukunft ins Zentrum seines Vortrags – und die reicht von Hightech bis hin zu uralten Lebensweisheiten. Während Konzerne wie Google und Amazon Milliarden in die Erforschung der Langlebigkeit investieren und Wearables zunehmend zum Gesundheitsmonitor werden, bleibt die Frage nach dem gesunden Altern hochaktuell. Besondere Aufmerksamkeit erregte dabei der Tech-Unternehmer Bryan Johnson, der mit einem jährlichen Budget von 2,5 Millionen Dollar versucht, sein biologisches Alter auf 18 Jahre zu senken. Dass es auch mit weniger Aufwand geht, zeigen die sogenannten „Blue Zones“ – Regionen der Welt wie zum Beispiel Okinawa oder Sardinien, in denen die Menschen besonders alt werden. Dort basiert Langlebigkeit auf einem einfachen Lebensstil: wenig Essen, tägliche Bewegung, soziale Verbundenheit und einen Sinn im Leben. „Altern ist nicht zuletzt auch Kopfsache“, betonte Kleine-Gunk – und machte damit deutlich, dass Prävention oft mit ganz einfachen Mitteln beginnt. „Für alle, die sagen Longevity ist, wenn einem der Arzt alles verbietet, was Spaß macht habe ich noch eine gute Nachricht: moderater Weinkonsum ist meiner Meinung nach vollkommen ok“. Diese Botschaft bot einen gelungenen Übergang zum gemütlichen Umtrunk, bei dem die Besucherinnen und Besucher in entspannter Atmosphäre weiter über die vorgestellten Ideen der Longevity-Forschung diskutieren konnten.