
Hans Göz, Carmen Mundorff, Susanne Dürr, Mario Flammann, Christian Seng und Hilde Neidhardt, von links. Foto LRA Enzkreis Nico Hetzel
ENZKREIS, 08.11.2023 (enz) – Viele Städte und Gemeinden stehen bei der Planung und Umsetzung von kommunalen Bauprojekten vor besonderen Herausforderungen. Auf der einen Seite sollen Bauvorhaben möglichst preiswert sein, auf der anderen Seite gibt es hohe Maßstäbe an Qualität, Funktionalität und natürlich an die Baukultur. „Die gewählten Mandatsträger, wie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Mitglieder der Gemeinderäte, aber auch die Beschäftigten der Verwaltungen sind nicht zu beneiden, diesen Spagat immer wieder meistern zu müssen“, weiß Dr. Hilde Neidhardt, Erste Landesbeamtin des Enzkreises und zuständig für den Bereich Baurecht und Naturschutz im Landratsamt aus eigener Erfahrung.
Der Vorsitzende der Kammergruppe Pforzheim-Enzkreis der Architektenkammer Baden-Württemberg, Hans Göz, hat gemeinsam mit dem Landratsamt daher unter der Überschrift „Ortsentwicklung neu denken?!“ eine Informationsveranstaltung für die Kommunen im Kreis angeboten, bei der verschiedene Fachleute aktuelle Aspekte in der Bau- und Planungskultur aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten.
Zunächst stellte die Architektin und Geschäftsführerin der Architektenkammer Baden-Württemberg, Carmen Mundorff, neben dem Instrument des „Gestaltungsbeirats“ den seit Anfang des Jahres angebotenen „Ortsentwicklungsbeirat“ vor. Ziel dieses neuen, beratenden Gremiums, das sich aus Architekten und Stadtplanern zusammensetzt, ist es, die Kommunen zu motivieren die Potentiale ihrer Orte zu entdecken und sie sowohl bei der strukturellen Verbesserung des Wohnangebotes wie auch bei der Nutzung ihres Gebäudebestandes zu unterstützen. „Dieser Blick von außen kann eine wertvolle Hilfestellung beispielsweise beim Umbau von Bestandsgebäuden sein“, bestätigt denn auch Rose Jelitko, Leiterin des Enzkreis-Baurechtsamtes.
Wie ein Ortsentwicklungsbeirat am konkreten Beispiel funktionieren kann, zeigten im Anschluss der Architekt und Stadtplaner Mario Flammann gemeinsam mit Dieter Krattenmacher, Bürgermeister der knapp 9.300 Einwohner zählenden Gemeinde Kißlegg im Allgäu auf.
Unter dem Stichwort „wie wollen wir künftig leben“ ging es in weiteren Vorträgen insbesondere auch um klimaangepasstes Bauen. Dabei stellte Christian Seng vom Planungsbüro 365° freiraum + umwelt Möglichkeiten wie das sogenannte „Schwammstadt“-Konzept vor. Dieses sieht vor, Retentionsflächen auf Park- und Grünflächen und auch auf Spielplätzen zu schaffen. Im Falle eines Starkregen-Ereignisses können diese Bereiche problemlos geflutet werden, um Gewässer und Kanäle zu entlasten. Ein weiterer positiver Nebeneffekt durch eine solche „Grüne Infrastruktur“ ist auch die im Zuge der Klima- wie auch der Biodiversitätskrise immer wichtiger werden Verbesserung des Mikroklimas in den Städten und Kommunen. Daher wurden auch alternative Bepflanzungen mit Stauden anstatt des immer noch häufig anzutreffenden Sommerflors angesprochen und deren nachgewiesene Kostenersparnis aufgezeigt.
Und last but not least referierte Prof. Dr. Susanne Dürr von der Hochschule Karlsruhe zu alternativen Wohnoptionen. Damit standen die Schaffung von variablem Wohnraum, Baugemeinschaften, gemeinsames Wohnen, Sharing von Wohnraum- und Versorgungseinrichtungen und das Angebot von Gemeinschaftsräumen und Begegnungsstätten insbesondere im ländlichen Raum auf der Agenda der gut besuchten Infoveranstaltung. Diese eher noch ungewöhnlichen Ansätze modernen Wohn- und Lebensformen wurden denn auch beim abschließenden informellen Austausch, sehr zur Freude der Initiatoren, rege diskutiert.