Nachhaltigere Mobilität als Ziel

Enzkreis-Delegation bei internationalem Austausch in Helsinki

bei Georg Kost

Kurzes Briefing zum Start: Die deutsche Delegation mit (hinten von rechts) Marcel Gutekunst, Bastian Wetzke, Jim Engel, Steffen Bochinger und (verdeckt) Hilde Neidhardt. Foto: LRS Enzkreis; Hörstmann

ENZKREIS, 02.06.2024 (enz) – Bürgerbus, on-demand-Verkehr und Car-Sharing, Deutschland-Ticket, Stadtentwicklung, moderne Radverkehrskonzepte und Möglichkeiten der Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel: Eine breite Palette an Ideen und Möglichkeiten für nachhaltigere Transportsysteme trugen die Teilnehmer des EU-geförderten Projekts „Plus+T“ – darunter der Enzkreis – in den vergangenen acht Monaten zusammen. Vorläufiger Höhepunkt war der direkte Austausch im Rahmen einer Konferenz in der finnischen Hauptstadt Helsinki.

Ein besonders ambitioniertes Ziel stellte Riku Aho, Vizepräsident von Finnair, gleich zu Beginn des dreitägigen Treffens vor: Die finnische Fluggesellschaft will bis 2045 komplett CO2-neutral unterwegs sein. Sie setzt dabei auf Bio-Treibstoff und Wasserstoff-Antriebe, aber auch auf optimierte Flugrouten oder reduziertes Gewicht der eingesetzten Maschinen. All dies mache enorme Investitionen notwendig – aber Finnair sei sicher, damit letztlich erfolgreich zu sein, wie Aho ausführte: „Wir wissen zwar noch nicht, wie wir’s schaffen, aber wir wissen, dass wir es schaffen werden.“ Was die Firma dafür brauche, seien langfristige Vorgaben und stabile Rahmenbedingungen seitens der Politik, so der Manager.

Mit diesem Satz traf er den Nerv von vielen der Expertinnen und Experten aus Schweden, Finnland, Italien und aus dem Enzkreis, darunter neben der Ersten Landesbeamtin Dr. Hilde Neidhardt der Busunternehmer Jim Engel, Bastian Wetzke vom ADFC und Kelterns Bürgermeister Steffen Bochinger sowie Marcel Gutekunst, ÖPNV-Experte im Landratsamt.

Gute Beispiele – zur Nachahmung empfohlen
Bochinger berichtete über den On-demand-Verkehr in den Gemeinden Keltern und Remchingen – ein Erfolgsmodell, wie der Bürgermeister betonte. „Ursprünglich wollten wir, dass junge Menschen am späten Abend sicher nach Hause kommen – aber inzwischen nutzen auch mehr und mehr Erwachsene das Angebot – beispielsweise Fans des KSC nach Heimspielen.“

Hilde Neidhardt stellte das Deutschlandticket vor, das zwar keine Maßnahme des Enzkreises ist, aber vor Ort umgesetzt werden muss und die örtlichen Linien-Betreiber vor erhebliche Aufgaben stelle. Wenn das deutschlandweite Abo auch künftig erfolgreich sein soll, so Neidhardt, brauche es auch hier eine langfristige Strategie und Finanzierung.

Ganz auf die lokalen Gegebenheiten zielten Beispiel aus Rimini und Helsinki. In Rimini überplant die Stadt bestehende Quartiere unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit. Insbesondere sollen die Möglichkeiten für Fußgänger und für den Radverkehr verbessert werden. Unterstützt wird die Stadt dabei von der Universität Bologna, die einen umfassenden Kriterienkatalog entwickelt hat. Damit können die unterschiedlichen Aspekte gesammelt und gewichtet werden, um das optimale Ergebnis vorausberechnen zu können.

Ambitionierte Planungen in Finnlands Hauptstadt
Helsinki plant und erstellt mehrere neue Straßen- und S-Bahnlinien – nicht nur zentral auf das Stadtzentrum ausgerichtet, sondern auch als Ringverbindung am Stadtrand. Unter anderem wird dafür eine 1.200 Meter lange Brücke gebaut, die ausschließlich für Bahn, Rad- und Fußgänger-Verkehr zur Verfügung stehen wird. Staunend erfuhren die deutschen Delegationsteilnehmer, wie schnell solche Großprojekte realisiert werden: Meist vergehen nur wenige Jahre zwischen Baubeschluss und Baubeginn. Hauptgrund ist eine finnische Besonderheit: In den größeren Städten gehört sämtlicher Grund und Boden der Kommune; private Bauherren können Grundstücke pachten, die Stadt bleibt jedoch stets Eigentümerin. „Das vereinfacht natürlich Infrastrukturprojekte, aber auch die Ausweisung neuer Baugebiete ganz enorm“, meinte Steffen Bochinger nicht ohne Neid.

Im weiteren Verlauf des Projekts Plus+T, das zunächst bis Ende des Jahres angelegt ist, wird vor allem die Frage im Raum stehen, welche Angebote es in eher ländlichen Regionen braucht, um Menschen zum zumindest teilweisen Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel zu bewegen.