ENZKREIS/PPFORZHEIM, 11.02.2022 (enz) – Was macht die Landwirtschaft im Enzkreis aus? Wer prägt unsere Kulturlandschaft und produziert unsere Nahrungsmittel vor Ort?
Die Artikelserie „Farm-Fenster“ beleuchtet Aspekte der hiesigen Landwirtschaft und ihre Bedeutung für die Menschen in der Region. In der achten Folge stehen die Landschaftspflege und die Erhaltung von Kulturlandschaft durch Schafbeweidung im Mittelpunkt.
Die Zahlen lesen sich beeindruckend: Mehr als 340 verschiedenen Farn- und Blütenpflanzen bietet das Pforzheimer Naturschutzgebiet „Mangerwiese-Wotanseiche“ zwischen der angrenzenden Haidach-Siedlung und dem Hagenschieß-Wald einen natürlichen Lebensraum. Hunderte von Tierarten sind hier heimisch – seltene Vögel ebenso wie Amphibien, Reptilien, Schmetterlinge und Libellen. Die knapp 70 Hektar große Fläche hat sich infolge jahrzehntelanger Separierung – zu großen Teilen diente sie den französischen Streitkräften bis Anfang der 1990er Jahre als Truppenübungsplatz – zu einem landschaftlichen Kleinod mit einzigartigen Bedingungen für Flora und Fauna entwickelt.
Voraussetzung hierfür war auch die Zusammensetzung des Bodens, der mit wechselfeuchtem Muschelkalk und staufeuchtem Bundsandstein vielfältige Vegetations-Einheiten auf engem Raum begünstigt. Was den Pflanzenbewuchs betrifft, zeigen sich zwischen dem nördlichen (Mangerwiese) und dem südlichen Teil (Wotanseiche) klare Unterschiede: Während auf der Mangerwiese größere Freiflächen mit Magerrasen, Heckenstreifen und Fallobstbäumen zu finden sind, gibt es im Gebiet Wotanseiche vermehrt Feucht- und Nasswiesen mit Hochstaudenfluren und dichter bewachsene Korridore mit zahlreichen Waldtypen.
Wichtige Förderung: Die Landschaftspflege-Richtlinie
Um die Erhaltung dieses Pflanzen- und Tierreichtums langfristig zu gewährleisten, führt das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Verwaltungsbehörde das Gebiet seit dem endgültigen Abzug der Franzosen als Naturschutzgebiet. Zudem wurde es 2005 in das bestehende Flora-Fauna-Habitat-Gebiet „Würm-Nagold-Pforte“ aufgenommen. Beeinträchtigungen jedweder Art in Bezug auf Boden, Pflanzen und Tieren sind verboten. Das Gelände darf nur auf markierten Wegen betreten werden.
Weil solch passive Maßnahmen jedoch nicht ausreichen, um den Fortbestand des Stückchens Kulturlandschaft sicherzustellen, hat das Landesumweltministerium ein spezielles Förderinstrument: die Landschaftspflege-Richtlinie (LPR). Mit ihr sollen Kommunen, Verbände, Bauern oder engagierte Privatpersonen bei gezielten Naturschutzprojekten wie der Pflege und Gestaltung von Kulturlandschaft finanziell unterstützt werden. Meist nehmen land- und forstwirtschaftliche Betriebe (konventionell und bio) die Förderung in Anspruch.
Bei Bio-Landwirt Wolfram Golderer aus Pforzheim, der für die Pflege von 15 Hektar im Naturschutzgebiet „Mangerwiese-Wotanseiche“ verantwortlich zeichnet, gibt es auch eine historische Verantwortung: Seit 40 Jahren führt seine Familie dort in den Sommermonaten die wichtige Schafsbeweidung durch und hat somit einen bedeutenden Anteil an der Entwicklung des einzigarten Lebensraums. Die lange Erfolgsgeschichte beruht auf einer simplen Idee: Die Schafe sorgen im etappenstufigen Koppelbeweidungs-Modell mit ihrem Fressverhalten für ein gleichmäßiges Abgrasen der Grünflächen und halten so den Aufwuchs kurz.
Ohne tierische Pflege droht Verbuschung
Mit anderen Worten: Ohne diese „tierische Pflege“ käme es langfristig zu einer Verbuschung und Verwaldung des Geländes, was das Ende der vielfältigen Kulturlandschaft bedeuten würde. Im Grunde geht es also darum, den Status quo zu bewahren – und für diese Aufgabe eignen sich Schafe hervorragend. Die Umsetzung ist jedoch etwas knifflig, denn es warten einige Fleißarbeiten auf den Schäfer. Vom alljährlichen Zäunestecken im Mai über die täglichen Checks vor Ort zum Zustand von Herde, Koppel und Trinkwasser sowie dem sukzessiven Nachmähen der Grünflächen bis zum mühsamen Abbau der eingewachsenen Zäune im August: der zeitliche und körperliche Aufwand ist beträchtlich.
Dem gegenüber steht das „kostenlose“ Futter, das die rund 100 Mutterschafe der englischen Rasse Suffolk während des Sommers auf den Weiden vorfinden. Nicht mitgezählt sind dabei die 80 bis 100 älteren Lämmer, da sie einen höheren Nährstoffbedarf haben und deshalb auf anderen Weideflächen grasen. Ein „marktfähiges Produkt“, wie der Schäfer ein schlachtreifes Lamm nennt, ist bei einem wochenlangen Aufenthalt auf den Magerwiesen ohne Zusatzfutter kaum realisierbar.
Angesichts des restlichen Jahresverlaufs, in dem die gesamte Herde lange auf gewöhnlichem Grünland weidet und winters im Stall versorgt wird, erscheint diese Einschränkung nicht besonders gravierend. Dabei lässt sich der freiwillig in Kauf genommene Standortnachteil für Golderer nur durch staatliche Zuwendungen über einen LPR-Vertrag finanziell kompensieren. „Die Landschaftspflege-Richtlinie ist eine tolle Fördermöglichkeit für uns“, spricht der Schäfer für sich und seine Berufsgenossen, „ohne diese Gelder wäre die Bewahrung von Kulturland in der jetzigen Form unmöglich“.
Letztlich zeige das Verfahren, wie die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Schäfern im Sinne des Natur- und Umweltschutzes gelingen kann – effektiv, langfristig und sinnvoll für alle Beteiligten.