
Der Landkreis Enzkreis sieht sich gezwungen die Kreisumlage der Gemeinden zu erhöhen. Symbolfoto: infopress24.de
ENZKREIS, 04.11.2025 (rsr) – Landrat Bastian Rosenau stellte am Montag, im Rahmen der Haushaltsrede bei der Kreistagssitzung für das Jahr 2026 die aktuelle finanzielle und strukturelle Lage des Enzkreises dar. Er bezeichnete die Situation als sehr angespannt und betonte die zunehmenden Belastungen durch Aufgabenübertragungen von Bund und Land ohne ausreichenden finanziellen Ausgleich. Nach seinen Ausführungen droht dem Enzkreis spätestens im Jahr 2027 eine faktische Zahlungsunfähigkeit, sofern keine strukturellen Änderungen erfolgen. 
Ziel bleibe, die Handlungsfähigkeit des Landkreises zu erhalten und den Haushalt genehmigungsfähig zu gestalten. Rosenau verwies auf bereits ergriffene Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung und auf die Notwendigkeit einer moderaten Erhöhung der Kreisumlage, um die Liquidität zu sichern. Geplant ist eine Anhebung um 2,3 Punkte auf 36,5 Prozent die von den 28 Kommunen im Enzkreis zu tragen sind.
Finanzielle Ausgangslage
Der Landrat stellte fest, dass die strukturellen Haushaltsprobleme weder allein durch Ausgabenkürzungen noch durch eigene Einnahmensteigerungen lösbar seien. Bund und Land übertrügen zunehmend Aufgaben auf die kommunale Ebene, ohne ausreichende Gegenfinanzierung sicherzustellen. Diese Entwicklung führe zu einer strukturellen Schieflage, die trotz intensiver Bemühungen auf kommunaler Ebene nicht kompensiert werden könne.
Der Enzkreis habe in den vergangenen Jahren vorausschauend gewirtschaftet und strukturelle Weichen gestellt, stehe nun aber vor der Notwendigkeit, neue Wege zu beschreiten und Prioritäten neu zu ordnen, weshalb Rosenau in seinem Ausführungen vor dem Kreistag für das kommende Jahr, sechs übergeordnete strategische Zielbereiche der Kreisverwaltung definierte.
Wirtschaftsförderung
Ziel ist die Unterstützung der regionalen Wirtschaft im Transformationsprozess, insbesondere in Industrie, Handwerk, Dienstleistungen und Landwirtschaft. Der Landkreis will Innovation, Digitalisierung und interkommunale Zusammenarbeit fördern. Ein Schwerpunkt liegt auf der Metallbranche, die im Enzkreis einen bedeutenden Anteil der regionalen Wirtschaft darstellt. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sollen bestehende Netzwerke, etwa mit Hochschule Pforzheim, KIT, Fraunhofer-Institut, ZPT, Hochform und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG), intensiver genutzt werden.
Geplant ist die Weiterentwicklung von Projekten wie „EnzPuls #nahdran“ sowie die Prüfung eines „Regio.Zukunft Fonds Enzkreis_Pforzheim“ zur Förderung nachhaltiger Gewerbeflächenentwicklung.
Resilienter Landkreis
Im Bereich Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Investitionen getätigt. Der Fokus liegt auf der Stärkung der Einsatzbereitschaft der Feuerwehren, der Verbesserung der Kommunikationsinfrastruktur und der Weiterentwicklung von Alarmierungs- und Einsatzkonzepten.
Zentrale Maßnahmen sind die Beschaffung neuer Einsatzfahrzeuge, die Einführung des Digitalfunks, die Etablierung eines neuen Führungsstabs sowie die Einführung eines flächendeckenden Sirenen-Warnnetzes. Zusätzlich soll der Bevölkerungsschutz durch digitale Kommunikationskanäle und IT-Sicherheitsmaßnahmen weiter verbessert werden.
Nachhaltigkeit
Die Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen wird im Enzkreis gezielt auf Schwerpunkte konzentriert, um die begrenzten Ressourcen effizient einzusetzen. Die Kreisverwaltung plant, den Stand der Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zu evaluieren und auf dieser Basis zentrale Handlungsfelder zu definieren.
Ein Schwerpunkt wird dabei auf der Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs liegen, um ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeitsziele in Einklang zu bringen.
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr
Der Enzkreis arbeitet an der Weiterentwicklung eines modernen, bedarfsgerechten und flexiblen Mobilitätssystems. Der Nahverkehrsplan von 2021 wird fortgeführt, insbesondere durch Maßnahmen zur Verbesserung von Zuverlässigkeit und Qualität der Buslinien.
Wichtige Projekte sind der mögliche Beitritt zum Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) und die geplante neue Stadtbahnstrecke von Ittersbach nach Pforzheim. Darüber hinaus sollen On-Demand-Angebote und digitale Lösungen die Attraktivität des ÖPNV erhöhen.
Die Kreisverwaltung befürwortet eine gesetzliche Verankerung des ÖPNV als Pflichtaufgabe unter Wahrung des Konnexitätsprinzips.
Bürgernähe und Kompetenz
Die Verwaltung strebt eine aktive Gestaltung des technologischen Wandels an. Die Entwicklung einer KI-Strategie ist im Gange und soll Mitte 2026 abgeschlossen werden. Bereits eingeführt wurden digitale Formulare, Online-Bezahlmöglichkeiten sowie der KI-gestützte Assistent „Nele“, der Verwaltungsprozesse unterstützt und beschleunigen soll.
Ziel ist eine bürgerfreundliche, effiziente und zukunftsorientierte Verwaltung, die sich an technologischen Entwicklungen ausrichtet und den Fachkräftemangel durch digitale Prozesse abmildert.
Integration und Inklusion
Im Bereich der Eingliederungshilfe steht die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes kurz vor dem Abschluss. Die neue Vertragsstruktur für rund 1.100 Menschen mit Behinderungen soll bis Ende 2025 vollständig umgesetzt sein.
Ziel bleibt die wirksame Unterstützung von Menschen mit Behinderungen, die Förderung inklusiver Bildungsangebote und die Schaffung zukunftsfähiger Lernräume in Kooperation mit Städten und Gemeinden.
Dazu gehören Projekte wie „Mobile Fachdienste Inklusion“, „Kita für Alle“ und „Kernzeit für Alle“. Das Satellitenkonzept für Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) soll weiter ausgebaut werden. Geplant ist zudem ein Neubau für die Gustav-Heinemann-Schule.
Kliniken und Gesundheitswesen
Die finanzielle Situation der Kreiskliniken bleibt angespannt. Für das Jahr 2026 sind 17,6 Millionen Euro an Ausgleichszahlungen vorgesehen. Notwendige strukturelle Veränderungen sollen in den kommenden Wochen beraten werden.
Flüchtlingsunterbringung und Integration
Sinkende Zugangszahlen ermöglichen den Rückbau provisorischer Unterkünfte. Die Integration in Wohnungsmarkt, Bildung, Gesundheit und Arbeitswelt bleibt eine zentrale Herausforderung.
Personal
Die Verwaltung hält am Ziel der „Netto-Null“ im Stellenplan fest. Neue Stellen werden nur geschaffen, wenn an anderer Stelle entsprechende Einsparungen erfolgen. Der Anstieg der Personalkosten resultiert überwiegend aus Tarif- und Besoldungsanpassungen.
Investitionen
In den kommenden Jahren stehen umfangreiche Investitionen im dreistelligen Millionenbereich an. Dazu zählen die Sanierung von Schulgebäuden, der Neubau der Gustav-Heinemann-Schule, die Modernisierung der Straßenmeisterei Pforzheim sowie bauliche Maßnahmen am Hauptgebäude der Kreisverwaltung. Eine strategische „Roadmap“ zur Priorisierung der Investitionen ist für 2026 vorgesehen.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt und politische Kultur
Rosenau betonte die Bedeutung einer sachorientierten politischen Zusammenarbeit, um die kommenden Jahre gemeinsam zu bewältigen. Ziel des Enzkreises ist es, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, offene Diskussionskultur zu pflegen und eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.
Für die kommenden Jahre erwartet die Kreisverwaltung eine deutliche finanzielle Einschränkung. Ab 2026 sollen die verbleibenden Rücklagen aufgebraucht sein, wodurch ab 2027 eine verstärkte Kreditaufnahme erforderlich werden könnte.
Priorität habe, die Genehmigung des Haushalts durch das Regierungspräsidium zu sichern und die finanzielle Steuerung weiterhin in eigener Verantwortung zu behalten.
Der Haushaltsentwurf 2026 des Enzkreises steht unter dem Zeichen erheblicher finanzieller Herausforderungen. Die Verwaltung sieht sich gezwungen, strukturelle Anpassungen vorzunehmen, Investitionen zu priorisieren und die Kreisumlage zu erhöhen, um die Handlungsfähigkeit zu sichern.
Trotz der angespannten Lage bleibt das Ziel bestehen, die zentralen Aufgaben in den Bereichen Daseinsvorsorge, Bildung, Inklusion, Mobilität und Nachhaltigkeit fortzuführen und die Zukunftsfähigkeit des Enzkreises langfristig zu sichern.
