Ein Kindergarten hat Wurzeln geschlagen

Familien freuen sich aufs Jubiläumsfest

bei Georg Kost

Drei Generationen im Hamberger Waldkindergarten: Lea, Malia und Ina Rottler (von links). Foto: Schmid/Waldkindergarten Wurzelkinder

NEUHAUSEN-HAMBERG,  29.05. 2025 (pm) – Malia kennt den Weg genau. Vorbei am Morgenkreis aus Baumstümpfen hüpft die Fünfjährige entlang einiger Heidelbeerbüsche und klettert auf eine Reifenschaukel. „Kommt schnell“, ruft sie ihrer Mama Lea und ihrer Oma Ina zu. Gemeinsam geben die Hambergerinnen der Schaukel einen kräftigen Schubs und Malias braune Haare fliegen im Wind. „Zu Beginn gab es das alles nicht“, sagt Ina Rottler und deutet auf Holzbänke, eine Matschküche aus Paletten und den kleinen Bauwagen, dessen rot gestrichene Fensterläden zwischen den Ästen leuchten.

Ina Rottler gehört zu den Gründungsmüttern des Waldkindergartens Wurzelkinder im Neuhausener Ortsteil. Früher wurden ihre Töchter dort betreut und heute besucht ihre Enkelin die Gruppe. Im Jahr 2000 hat eine Gruppe engagierter Frauen um die mittlerweile verstorbene Initiatorin Jutta Dittrich den Elternverein als Träger des Waldkindergartens gegründet. Damit gehört die Einrichtung am Hamberger Waldrand zu den älteren Waldkindergärten in der Region. „Wer hätte gedacht, dass der Waldkindergarten so lange besteht – die Kritiker am Anfang sicher nicht“, meint Ina Rottler. Gegen die Einrichtung eines solchen habe es damals etliche Gegenrede gegeben. Die Kinder dauerhaft dreckig, bei Wind und Wetter draußen, nicht in der Lage stillzusitzen – solche und ähnliche Vorurteile habe sie von einigen Menschen gehört, erinnert sich die 63-Jährige. „Für uns war aber einfach wichtig, dass die Kinder viel an der frischen Luft sind und in der Natur sein dürfen.“ Motive, an denen sich bis heute aus Elternsicht nichts geändert hat, pflichtet Lea Rottler ihrer Mutter bei. „Malia ist gerne draußen, selbst nach einem Morgen im Wald, geht sie am Nachmittag wieder im Garten spielen“, erzählt die 29-Jährige. Matsch, Regen und Kälte – „klar, die gibt es mehrere Monate im Jahr“, wissen die beiden Frauen. Da braucht es gute Kleidung und dichtes Schuhwerk genauso wie die Bereitschaft, Klamotten oft zu trocken und zu waschen. „Aber das ist ohnehin Erwachsenensicht“, sind sich Mutter und Tochter einig. Allein wegen des Wetters habe nach ihrer Erfahrung noch kein Kind daheimbleiben wollen.

Der Einsatz der Wurzelkinder-Eltern spielt eine besondere Rolle. Im Elternverein wird ein hohes Maß an Mitarbeit eingefordert. Der kommunale Zuschuss sowie die Teilnahme an regelmäßigen Veranstaltungen wie Bauern- oder Weihnachtsmärkten in Neuhausen bilden das finanzielle Fundament des Waldkindergartens. „Wir bringen uns gerne im Dorfleben ein“, sagt die Vorsitzende Jenni Dehmer und fügt hinzu: „Und wir freuen uns immer über Spenden.“
An diesem Nachmittag zeugt im Waldkindergarten am Rande einer Matschkuhle eine kleine Lehmhügelsiedlung von fleißigen Kinderhänden.

Bewässerungsgräben durchziehen die Miniaturlandschaft und dass mit Hingabe gegossen wurde, sieht man auch noch nachdem die Kinder am Nachmittag lange wieder zu Hause sind. Mittlerweile gibt es im Bauwagen auch Mal- und Bastelsachen, nach dem gemeinsamen Frühstück lesen die Erzieherinnen den Kindern vor und wer bald in die Schule kommt, darf sich unter Anleitung regelmäßig in der Hasenschule vorbereiten. An der Natur orientiere sich der Rhythmus der pädagogischen Arbeit, so Kindergartenleiterin Diana Junker. Zudem ist es dem Team wichtig, Sicherheit in der Bewegung zu vermitteln. „Der Wald bietet viele Anlässen zum Klettern, Balancieren, Kriechen und Hüpfen. Die Bewegung ist die Grundlage für eine gute kognitive, soziale und emotionale Entwicklung“, fasst sie in ihrem Konzept zusammen. Das setzen die Kinder auch während der regelmäßigen Wanderungen zum Trampolinplatz, auf die Osterwiese oder zum Schwarzen Brunnen um. Unterwegs wird der Unterschied zwischen verschiedenen Zapfen gezeigt oder ein Regenwurm bei der Arbeit beobachtet. „Auf Achtsamkeit wurde immer schon Wert gelegt“, weiß auch Ina Rottler.

Malia ist unterdessen in einer aus gesammelten Ästen gebauten Hütte verschwunden. „Kuckuck“, ruft die Fünfjährige und lacht. Die Wurzelkinder treffen sich am Waldrand, bevor sie gemeinsam zum Kindergarten gehen. „Früher haben wir auf dem Weg immer gesungen „Wir sind die Wurzelkinder und gehen in den Wald“, erinnert sich Lea Rottler und summt die Melodie. „Wir singen spielen, lachen, ob`s warm ist oder kalt“, setzt Malia ein. Das Lied singen die Wurzelkinder immer noch und haben es zuletzt auch beim Seniorennachmittag der Gemeinde in Schellbronn auf die Bühne gebracht. Obwohl sich die Dinge innerhalb eines Vierteljahrhunderts verändert haben, ist Ina Rottler froh, dass ihre Kinder und Enkel im Kindergartenalter naturnah aufwachsen durften und dürfen: „Ich würde es wieder so machen.“ pm

Im Jubiläumsjahr feiern die Wurzelkinder am Sonntag, 1. Juni, ihr traditionelles Waldfest mit zauberhaftem Motto. An diesem Tag wird im Waldkindergarten von 11 bis 17 Uhr bewirtet. Der Bereich ist mit Spiel- und Bastelangeboten öffentlich zugänglich und Eltern und Kinder freuen sich auf Besucher.
Informationen gibt es auch auf der Homepage www.waldkindergarten-hamberg.de oder dem Instagram-Kanal.