Bürgerdialog zur Mobilität in der „Stadt für Morgen“ kommt gut an

bei Georg Kost

Beim Bürgerdialog in der Stadthalle nahmen rund 80 Interessierte teil.
Foto Stadt Leonberg Sebastian Küster

LEONBERG, 02.08.2022 (pm) – Bürgerinnen und Bürger mitnehmen und an der „Stadt für Morgen“aktiv beteiligen – das war das Ziel der Informationsveranstaltung in der Leonberger Stadthalle am vergangenen Donnerstag.
Rund 80 Leonbergerinnen und Leonberger folgten der Einladung und tauschten sich mit Oberbürgermeister Martin Georg Cohn, Mitarbeitern des städtischen Referats für innovative Mobilität sowie Stadtplanerinnen und Stadtplanern über die
Zukunft der Engelbergstadt aus.
Eines war von Anfang an klar: Der Bürgerdialog zur Mobilität in der „Stadt für Morgen“ soll nur der Anfang einer umfangreichen Bürgerbeteiligung an der Planung der Zukunft für Leonberg sein. Und dieser Auftakt ist geglückt. Oberbürgermeister Martin Georg Cohn begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der offenen Abendveranstaltung
in der Stadthalle: „Ausgerechnet heute ist der Tag, an dem alle Ressourcen auf der Welt eigentlich für das Jahr 2022 aufgebraucht sind. Ab Morgen leben wir auf Pump. Und das muss uns allen bewusst sein.“ Auch Leonberg müsse seinen Teil dazu beitragen, dass die künftigen Generationen in einer lebenswerten Welt leben. „Einen wichtigen Teil dazu trägt die ‚Stadt für Morgen‘ bei, zu der auch eine umfangreiche Neugestaltung des Straßenraums in der Innenstadt gehört“, so Cohn.
Und nicht nur das. Auch unabhängig von den Klimazielen, die sich die Stadt setzt, will Leonberg etwa auch in eine sozialgerechte Zukunft steuern, die die Ansprüche an ein starkes Mittelzentrum erfüllen. Dazu gehört auch das Zusammenwachsen der drei Stadtzentren: Marktplatz, Neuköllner Platz und Eltinger Mitte. Durch eine geschickte
Verkehrsführung für Fußgängerinnen und Fußgänger, Radelnde, den öffentlichen Nahverkehr und Autos kann das gelingen.

Oberbürgermeister Martin Georg Cohn begrüßt die Teilnehmenden des Bürgerdialogs. Foto Stadt Leonberg Sebastian Küster

Das Auto dominiert alle Verkehrsflächen
Die Verwaltung hat dafür das Büro Schüßler-Plan aus Karlsruhe engagiert. Das Planungsteam um Enrico Strauch und Lisa Steiner sind schon seit einigen Wochen und Monaten damit beschäftigt, den Status Quo in Leonberg zu analysieren und Potenziale abzuleiten, welche Maßnahmen infrage kommen, um die Vision der „Stadt für Morgen“ zu verwirklichen. Strauch präsentierte den Gästen in der Stadthalle auf beeindruckende Art und Weise, wo Veränderungen dringend notwendig sind. Ein Problem ist zum Beispiel die ungleiche Verteilung des Straßenraums. Rund 57 Prozent der Flächen, von der Eltinger- bis zur Brennerstraße und von der Römerstraße bis zur Leonberger Straße, stehen derzeit dem Auto zur Verfügung. Fußgängerinnen und Fußgänger haben 32 Prozent, Grünanlagen belegen nur rund 10 Prozent der Flächen. Vor allem bei den Radwegen besteht hoher Handlungsbedarf. Heute stehen Radlerinnen und Radlern in diesem Bereich nämlich nur zwei Prozent der Gesamtfläche zur Verfügung. Sie müssen sich häufig ihren Weg auf den Fußwegen und Autospuren suchen – ein hohes Risiko. „Das Ziel der Stadt ist es die Flächen so aufzuteilen, dass allen Verkehrsbeteiligten genügend Raum zu Verfügung steht, also alle gleich gewichtet werden. Das ist nur mit einer neuen Struktur, einer neuen Aufteilung des Verkehrsraums möglich“, so Strauch.

Raumgewinn möglich? Verkehrsversuch testet Reduktion der Fahrspuren
Wie dieser Raum in Zukunft aussehen könnte, präsentierte der Leiter des Referats für innovative Mobilität, Stephan Kerner. Sein vierköpfiges Team findet derzeit heraus, ob ein Raumgewinn möglich ist, in dem die heutigen Fahrbahnen von vier, teilweise sogar sechs Fahrspuren, auf zwei Fahrspuren reduziert werden. Dieser Test in der Eltinger- und Brennerstraße läuft noch bis Mitte Dezember und warf bei einigen Bürgerinnen und Bürgern, Fragen auf. Viele befürchten, dass durch den Versuch mehr Stau und mehr Abgase in der Innenstadt entstehen werden und ein Verkehrschaos ausbricht. Dass zwei Fahrbahnen in Leonberg ausreichend sein könnten, erwies bereits eine Verkehrssimulation im vergangenen Jahr, mit Daten aus automatisierten Verkehrszählungen, weit bevor der Verkehrsversuch eingerichtet wurde. „Die Methode der Verkehrssimulation ist wissenschaftlich fundiert und in der Verkehrsplanung eines der besten Werkzeuge, um die Realität so gut wie möglich abzubilden. Die Auswertung hat damals ergeben, dass zwei Fahrspuren ausreichen werden. Aber auf diese Daten allein wollten wir uns natürlich nicht verlassen“, so Kerner auf der Bühne der Stadthalle. Deshalb läuft dieser Test in der Realität als Verkehrsversuch derzeit und noch bis Dezember, um zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen.

Umweltspur nur eine Möglichkeit, andere Varianten im Fokus
Gerade das Thema Umweltspur erhitzte im Vorfeld der Veranstaltung am vergangenen Donnerstag die Gemüter vieler Leonbergerinnen und Leonberger. Auf dem provisorischen Streifen dürfen noch Busse und Radler fahren. „Dass die Umweltspur tatsächlich kommt, wenn sich der Verkehrsversuch bewähren sollte, ist aber keineswegs in Stein gemeißelt“, stellte der Leiter des Referats für Mobilität noch einmal deutlich klar. Es seien hingegen ganz viele andere Varianten denkbar, wie der neu gewonnene Raum in der Innenstadt genutzt werden könnte.
Damit beschäftigte sich anschließend Florian Thurn vom Ramboll Studio Dreiseitl, das ein wichtiger Teil des Planungsteams ist. Auf mehreren Folien zeigte Thurn, welche Potenziale in der Engelbergstadt schlummern, wenn mehr Raum für Neugestaltung zur Verfügung steht. Neben viel mehr Platz für Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Fahrradfahrende wären dringend benötigte Bäume und Sträucher als natürliche Schattenspender, oder beispielsweise Wasserspiele am Leo-Center möglich. Dies alles visualisiert und digitalisiert vor Augen geführt zu bekommen, beeindruckte viele Zuhörerinnen und Zuhörer im Publikum. Andere blieben weiter skeptisch.
Danach hatten alle die Gelegenheit ihre Fragen, Anregungen, Kritiken und Wünsche an die Vortragenden und den Oberbürgermeister loszuwerden. Neben den Themen wie Wohlfühlatmosphäre im Straßenraum, offene und ehrliche Kommunikation, Vorrang für Busse, Zonen mit 30 Stundenkilometern und konsensfähigen Vorschlägen mit dem Gemeinderat, wurde von vielen ein sogenannter Masterplan gefordert. Heißt: Die Pläne rund um Mobilität sollten unbedingt in einen Gesamtzusammenhang mit anderen Herausforderungen der Zukunft gestellt werden. Darunter etwa die Themen Wohnen, Handel, Wirtschaft, Bildung und auch Kultur. „Das alles sind wichtige Schlüsselfaktoren, um die gesamte Stadt Leonberg fit für die Zukunft zu machen. Mir ist bewusst, dass wir heute hier den Auftakt für den Wandel in der Mobilität besprechen. Viele kleine Rädchen müssen ineinanderpassen. Auch die anderen Bereiche spielen eine große Rolle und sind gegenseitig voneinander abhängig. Das sollte berücksichtigt werden“, sagte ein engagierter Bürger aus Eltingen.

Workshop mit Bürgerinnen und Bürgern
Der Auftakt zur Bürgerbeteiligung ist geglückt. Der nächste Schritt folgt direkt nach den Sommerferien. Am Freitag, 16. September, wird es einen Abend voller Vorträge mit gelungenen Beispielen aus anderen Städten geben, der auf dem Youtube-Kanal der Stadt in Echtzeit übertragen wird. Auch im Nachhinein werden Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich die Veranstaltung anzusehen. Am Samstag, 17. September, sind von 11 bis 17 Uhr alle Bürgerinnen und Bürger zu einem offenen Workshop-Tag eingeladen, um die bereits gesammelten und neuen Ideen auf Papier zu bringen.

Mit dem Stadt für Morgen-Newsletter gut informiert
Wer über weitere Veranstaltungen und Entwicklungen zum Thema Mobilität sowie der „Stadt für Morgen“ informiert werden möchte, kann sich in den Mail-Verteiler aufnehmen lassen. Interessierte schicken dafür eine Mail an stadtfuermorgen@leonberg.de

Die kernigsten Zitate der Veranstaltung:
– “Wir können viel über die Vergangenheit reden und diskutieren, aber das hilft uns nichts. Die Vergangenheit ist unumstößlich. Wir müssen nach vorne schauen.”
– „Ich habe das Gefühl die Umweltspur wirkt entschleunigend, weil der Radfahrer seine Spur hat und der Autofahrer eine eigene.“
– „Das mit dem Fahrrad ist aktuell eine Katastrophe.“
– „Wenn ich in zwei Kitas fahre, dauert das heute über zwei Stunden mit dem Bus.“
– „Mit Tempo 30 gemeinsam durch die Stadt rollen, Pedelecs und Autos, das wäre sinnvoll.“
– „Leonberg leidet aufgrund des Durchgangsverkehrs und durch die Topographie“
– „Stückwerk der vergangenen 50 Jahre: Es fehlt ein Masterplan!“
– „Wasser-Management ist wichtig! Ein paar Bäume pflanzen: Reicht das?“