Zwischen Buchdeckeln und Menschenherzen

Warum der Bücherflohmarkt in Neuhausen mehr als nur ein Markt ist

bei Georg Kost

Beim Neuhausener Büchermarkt kam am vergangenen Wochenende jede und jeder auf seine Kosten. Foto: Georg Kost

NEUHAUSEN, 07.04.2025  (rsr) – Einmal im Jahr verwandelt sich die beschauliche Monbachhalle in Neuhausen in ein Labyrinth aus Literatur: Tische voller Romane, Bildbände, Kinderklassiker und antiquarischer Schätze – und dazwischen Hunderte von Menschen, die mit leuchtenden Augen auf Schatzsuche gehen. Der Bücherflohmarkt in Neuhausen ist längst mehr als ein Geheimtipp – er ist ein gesellschaftliches Ereignis mit Herz, Sinn und Geschichte.

Was diesen Markt von vielen anderen unterscheidet, ist nicht allein seine Größe oder Vielfalt. Es ist die außergewöhnliche Mischung aus nostalgischer Bücherliebe, ehrenamtlichem Engagement und internationaler Solidarität, die ihm seine unverwechselbare Seele verleiht.

Ob vergriffene Klassiker, vergilbte Erstauflagen oder aktuelle Bestseller – die Büchertische in der Monbachhalle bergen literarische Überraschungen. Foto: Georg Kost

Für viele Besucher ist der Markt ein Ort der kleinen Wunder: Man kommt, ohne zu wissen, was man sucht – und geht mit Geschichten, die einen nicht mehr loslassen. Ob vergriffene Klassiker, vergilbte Erstauflagen oder aktuelle Bestseller – die Büchertische in der Monbachhalle bergen literarische Überraschungen. „Ich komme jedes Jahr mit einer Liste“, gesteht eine Besucherin aus Weil der Stadt, „aber am Ende finde ich immer etwas, das ich nie erwartet hätte – und genau das liebe ich.“

Diese Mischung aus gezieltem Suchen und zufälligem Finden ist es, die den Reiz ausmacht. Hier treffen Vielleser auf Gelegenheitsstöberer, Sammler auf Familien, Studierende auf Rentner – alle vereint durch die Freude an Geschichten und die Liebe zum Gedruckten.

Hunderte von Menschen gingen am Samstag und Sonntag auf Literarische Schatzsuche. Foto: Georg Kost

Günstig, nachhaltig, sozial – warum der Markt so beliebt ist
Der Bücherflohmarkt in Neuhausen ist ein Ort, an dem Nachhaltigkeit gelebt wird. In einer Zeit, in der vieles schnelllebig und digital geworden ist, bietet der Kauf gebrauchter Bücher eine entschleunigte Alternative – ökologisch sinnvoll und kulturell wertvoll zugleich.
Zudem sind die Preise moderat: Für wenige Euro findet man hier Werke, die anderswo längst vergriffen oder teuer wären. Wer sich durch das Angebot wühlt, erlebt ein Stück Konsumromantik, wie sie nur noch selten zu finden ist – und tut dabei auch noch Gutes. Denn der gesamte Erlös fließt in das „Sunrise Children’s Home“ in Sri Lanka, ein Kinderheim für Mädchen, das vom veranstaltenden Verein Kinderhilfe Sri Lanka im Biet e.V. getragen wird.

„Ohne unser Helferteam wäre der Markt undenkbar“, betont Walter Bogner, Vorsitzender des Vereins. Foto: Georg Kost

Ohne sie geht nichts: die stillen Heldinnen und Helden des Markts
Was viele beim Betreten der Halle nicht ahnen: Hinter dem reibungslosen Ablauf steckt wochenlange Vorbereitung – getragen von einer Schaar freiwilliger Helferinnen und Helfer, die größtenteils im Hintergrund agieren. Vom ersten Sortieren der Spenden bis hin zur letzten aufgestapelten Bücherkiste – alles wird ehrenamtlich organisiert.
„Ohne unser Helferteam wäre der Markt undenkbar“, betont Walter Bogner, Vorsitzender des Vereins. „Sie sortieren, schleppen, kleben Etiketten, beraten, räumen auf – und das alles mit einer Geduld und Herzlichkeit, die mich jedes Jahr aufs Neue berührt.“ Besonders der Abbau nach dem letzten Verkaufstag sei eine logistische und emotionale Herausforderung: „Da fließt manchmal mehr Schweiß als am Aufbautag – aber auch Dankbarkeit.“
Viele Helfende sind schon seit Jahren dabei. Sie nehmen Urlaub oder verschieben private Termine, um Teil des Markts zu sein. Für sie ist es mehr als ein Ehrenamt – es ist eine Überzeugung. „Ich komme, weil ich weiß, dass meine Arbeit ankommt“, sagt eine Helferin, die seit 15 Jahren mitwirkt. „Und weil ich hier Menschen treffe, die dieselbe Freude teilen.“

Klaus Stähle aus Niefern-Öschellbronn pflegt eine langjährige Verbundenheit zum Büchermarkt in Neuhausen. Foto: Georg Kost

Ein Beispiel dafür ist auch Klaus Stähle aus Niefern-Öschellbronn mit seiner langjährigen Verbundenheit zum Büchermarkt in Neuhausen. Gemeinsam mit seiner Familie besucht er den Büchermarkt seit dessen Anfängen, bringt regelmäßig Spenden mit und hilft beim Aufbau. so oft es ihm möglich ist. Für ihn ist der Markt „ein fester Bestandteil des Jahreskalenders und ein schönes Beispiel, wie man mit einfachen Mitteln viel bewegen kann.“

Neben dem Bücherverkauf ist der Flohmarkt auch ein sozialer Treffpunkt. Die kleine Cafeteria mit selbstgebackenem Kuchen, betrieben vom Waldkindergarten „Wurzelkinder“, bietet Raum für Austausch und Begegnung. Man trifft alte Bekannte, kommt mit Fremden ins Gespräch, blättert gemeinsam in alten Ausgaben und tauscht Buchtipps aus – hier entsteht Nähe inmitten von Seiten und Zeilen.

Ein Ort mit Wirkung – bis nach Sri Lanka
Die Erträge des Bücherflohmarktes, außer denen des Kuchen- und Kaffeeverkaufes des Waldkindergarten in Hamberg fließen direkt in ein konkretes Projekt: Das „Sunrise Children’s Home“ in Sri Lanka. Was mit einer spontanen Hilfsaktion nach dem Tsunami 2004 begann, ist heute ein professionell geführtes Zuhause für bis zu 30 Mädchen. Inzwischen wurde das Angebot um einen Montessori-Kindergarten erweitert – ein Ort, der Kindern frühzeitig einen Zugang zu Bildung ermöglicht.
„Es ist beeindruckend, was aus einer Idee geworden ist“, sagt der Vorsitzende Walter Bogner. „Wir sehen, wie unsere Arbeit Früchte trägt – das motiviert uns, jedes Jahr weiterzumachen, besonders jetzt, da der Verein in diesem Jahr sein 20jähriges Besehen feiert“.
Der Bücherflohmarkt in Neuhausen ist ein Phänomen, das sich schwer in Zahlen fassen lässt. Vielleicht ist es genau das, was ihn so besonders macht. Es ist die Summe vieler kleiner Geschichten – zwischen Buchdeckeln, zwischen Menschen, zwischen Ländern. Er ist ein Ort, an dem aus alten Büchern neue Perspektiven entstehen. Ein Ort, der zeigt, dass Engagement und Leidenschaft Berge versetzen können. Und vor allem: ein Ort, an dem das geschriebene Wort nicht nur gelesen, sondern gelebt wird.   < Zur Vereinsseite für weitere Informationen >