Steigender Personalbedarf in der Pflege

bei Georg Kost

Symbolfoto LRA Böblingen

BADEN WÜRTTEMBERG, 11.05.2022 (pm) – Die Zahl der Beschäftigten in den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen hat sich im Zeitraum von 20 Jahren nahezu verdoppelt. Wie das Statistische Landesamt anlässlich des »Internationalen Tages der Pflege« am 12. Mai 2022 auf Grundlage der amtlichen Pflegestatistiken mitteilt, standen Ende 2019 insgesamt 142 357 Beschäftigte in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen im Dienst von Menschen, die wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen pflegerischer Hilfe bedürfen. Dies waren 91 Prozent mehr als 1999, dem Startjahr der Pflegestatistiken.

Mit 103 198 Personen oder einem Anteil von 72 Prozent war der weitaus überwiegende Teil der Beschäftigten in stationären Pflegeeinrichtungen des Landes tätig. Der prozentuale Zuwachs der Beschäftigten fiel in den letzten 20 Jahren jedoch bei den ambulanten Pflegeeinrichtungen (+104 Prozent) spürbar höher aus als im stationären Bereich (+86 Prozent). Im Jahr 2019 versorgten die Beschäftigten 94 047 Pflegebedürftige vollstationär in Pflegeheimen. Dies entspricht einem Anteil von 20 Prozent der insgesamt 471 913 pflegebedürftigen Menschen im Land. Weitere 20 Prozent wurden durch ambulante Pflegedienste unterstützt (92 467 Pflegebedürftige).
Mit einem Anteil von 55 Prozent wurde der Großteil der Pflegebedürftigen (260 818) ausschließlich von ihren Angehörigen versorgt. Die übrigen 5 Prozent erhielten beispielsweise zu Hause Betreuungsdienstleistungen zur Unterstützung im Alltag.

Rund 80 Prozent aller Pflegebedürftigen in Baden-Württemberg waren 2019 mindestens 65 Jahre alt. Daten der jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung zeigen für die kommenden Jahrzehnte einen weiter steigenden Personalbedarf in der Pflege an. Lebten im Jahr 2010 rund 2,09 Millionen (Mill.) Menschen der Altersgruppe 65+ in Baden-Württemberg, erhöhte sich die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in dieser Altersgruppe bis 2020 um 196 000 oder 9,4 Prozent auf fast 2,29 Mill. Alleine bis 2030 dürfte sich die Bevölkerung im Alter 65+ den Vorausberechnungen des Statistischen Landesamtes zufolge um weitere 420 000 oder 18,4 Prozent auf fast 2,71 Mill. erhöhen. Für diesen starken Zuwachs der älteren Bevölkerung im Zeitraum 2020 bis 2030 im Vergleich zur Dekade zuvor ist die sogenannte Generation der »Babyboomer« ausschlaggebend, die vor allem Anfang der 1960er-Jahre geboren wurden. Von den 420 000 Einwohner-/innen im Alter 65+, die im Zeitraum 2020 bis 2030 hinzukommen dürften, gehören alleine 337 000 oder 80 Prozent der Altersgruppe 65 bis unter 75 Jahre an. Diese Altersgruppe hat bis zum Jahr 2030 zwar ein vergleichsweise geringes Pflegerisiko von lediglich 5 Prozent. Die »Welle« der Babyboomer-Generation wird jedoch in den darauffolgenden Jahrzehnten – wenn auch zahlenmäßig abgeschwächt – sukzessive in Altersgruppen mit exponentiell steigendem Pflegerisiko eintreten. So beträgt die Zahl der Pflegebedürftigen je 100 Einwohner in der Altersgruppe der 75- bis unter 85-Jährigen bereits 17 und klettert bei den 85- bis unter 95-Jährigen auf 53.
In der Altersgruppe »95 Jahre und älter« erreicht die Pflegehäufigkeit sogar 87 Pflegebedürftige je 100 Einwohner. Dies bedeutet, dass die Generation der Babyboomer in den kommenden Jahrzehnten zu einem steigenden Pflegebedarf und in der Folge zu einem erhöhten Bedarf an Beschäftigten führen wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass durch den demografischen Wandel nicht nur die Nachfrage nach ambulanten und stationären Pflegeleistungen in den kommenden Jahrzehnten spürbar ansteigen wird, sondern darüber hinaus der ohnehin bereits angespannte Arbeitsmarkt für Pflegepersonal aus Gründen der Altersstruktur vor besonderen Herausforderungen steht. So waren im Jahr 2019 von den insgesamt 142 357 Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen 41 858 oder fast 30 Prozent bereits 55 Jahre oder älter. Auch diese Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen zählen zur Generation der Babyboomer, die bis 2030 altersbedingt aus dem Arbeitsleben ausscheiden wird. Damit dürfte der Pflegemarkt sowohl nachfrage- als auch angebotsseitig unter Druck geraten.

Generell weichen die Strukturen bei den Beschäftigten in der Pflege deutlich vom Branchendurchschnitt der Gesamtwirtschaft ab. Das Personal in den Pflegeeinrichtungen ist vor allem weiblich und teilzeitbeschäftigt. Im Jahr 2019 waren 84 Prozent der Beschäftigten in der Pflege weiblich und 53 Prozent in Teilzeit beschäftigt. Zum Vergleich: Nach Auswertung der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit betrugen die Frauenquote und die Teilzeitquote unter den gut 5,97 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten in Baden-Württemberg über alle Branchen hinweg lediglich 48 Prozent bzw. 21 Prozent. Auch der Anteil des Personals in Pflegeeinrichtungen, der das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat, lag um gut sechs Prozentpunkte höher als im Durchschnitt aller Branchen (23 Prozent).