Segelflüge auf dem Rittern

Was kaum noch einer weiß - Informationstafel vorgestellt

bei Georg Kost

Die Historiker Dr. Dieter Leicht, Dr. Albrecht Kießling, Bernd M. Nicklas und Bürgermeister Frank Spottek bei den Ruinen der ehemaligen Flugsporthalle. Foto: infopress24.de

TIEFENBRONN-MÜHLHAUSEN, 26.08.2022 (rsr) – Besucher, die sich auf ihrer Augenblicktour hoch über dem Würmtal auf dem Rittern befinden und die Blicke übers Würmtal hinüber auf den Büchelberg schweifen lassen, erfahren seit diesen Tagen mehr aus der Segelflughistorie in Mühlhausen. Nach 1945 hat der Segelflugsport und die Anlage auf dem Rittern an Bedeutung verloren. Nun aber wird an sie erinnert.
Der Flugsportler Dr. Albrecht Kießling aus Weil der Stadt – Hausen, und die Historiker Bernd M. Nicklas aus Friolzheim und Dr. Dieter Leicht aus Tiefenbronn lassen jetzt die Geschichte des Segelflugs über Würmtal aufleben. Im Beisein von Bürgermeister Frank Spottek und den Initiatoren wurde am Donnerstag eine neue Infotafel vorgestellt aus der die Hostorie der Flupioniere nachzulesen ist.

Auf der ehemaligen Startbahn. Foto: infopress24.de

Dr. Albert Kießling und Bernd M. Nicklas erinnerten bei der Vorstellung der Infotafel (Foto rechts), dass im Jahr 1923 auf dem Rittern vom Flugsportclub Pforzheim als einer der ersten Segelflieger Vereine Deutschlands die ersten Gleitflüge mit einem selbst gebauten Hanggleiter vom Typ S12 stattfanden und in den folgenden Jahren ein Vereinsheim mit Halle und Werkstatt gebaut wurde.
Der Hanggleiter war auf den Namen „Goldkiste“ getauft, die Starts erfolgten wie damals üblich mit Zug- und Haltemannschaft mit Gummiseil. Die Landung ergab sich meist nach kurzem Gleitflug unten im Stadelbachtal auf einer der Seewiesen.
Die Piloten, so Dr. Albert Kießling sind in ihrer Maschinen gestiegen und entwender hat es geklappt oder eben nicht.

Die Mitglieder der Pforzheimer Segelflieger trafen sich zumeist samstags immer beim Kupferhammer und fuhren dann mit dem Fahrrad oder mit dem Auto nach Mühlhausen. Die “Goldkiste” wurde bei der Filiale der Firma Kollmar & Jourdan untergestellt.

Die neue Infotafel soll in den nächsten Tagen vom Baufof angebracht werden. Foto: infopress24.de

Das Fluggelände wurde auch von der Flugtechnischen Vereinigung Stuttgart und deren legendären Segelfllugpionier Wolf Hirth genutzt. Unter seiner Leitung wurden 1926 bis 1928 die Baden-Württembergischen Segelflugmeisterschaften auf dem Gelände ausgereichtet.
Sie fanden im November statt, wo im Allgemeineinen guter Hangwind vorherrscht und die Felder abgeerntet sind.

Die Pforzheimer Segelflieger hatten bis 1933 in der Werkstatt auf dem Rittern weitere vier Flugzeuge vom Typ „Geheimrat“, „ Hols der Teufel“ und „Zögling“ aus Bausätzen der Familie Schleicher sowie einen Eigenbau mit dem Taufnamen „Bremen“ aufgebaut. Der „Zögling“ kann als Vorreiter des späteren Standardschulgleiters SG 28 angesehen werden.

Später wurde der Flugbetrieb auf den Büchelberg bei Neuhausen verlegt. Dort geschah es auch, dass die “Goldkiste” von einer Windböe erfasst wurde und abschmierte. Bei dem ersten Flugunfall des FSC – Pforzheim gab es zum Glück nur einen Oberschenkelbruch und weitere kleine Verletzungen.
Mit der Machtergreifung durch die NSDAP im Jahr 1933 und mit der damit einhergehenden Gründung des Deutschen Luftsportverbandes war die Flugzeughalle auf dem Rittern zur „Ersten badischen Fliegerschule“ aufgewertet worden. Im Jahr 1937 erfolgte die Eingliederung des FSC Pforzheim in das national-sozialistische Fliegerkorps NSFK und 1939 ging das Gelände auf dem Rittern in staatliche Verwaltung durch die Flieger-HJ über. Danach war die Segelflugschule beziehungsweise der Startplatz wohl nur noch zur Grundausbildung der Flieger-HJ-Pimpfe sowie zur fliegerischen Fortbildung genutzt worden. Die Jugendlichen der „Flieger-HJ“ erlernten hier das Fliegen auf einem Segelflugzeug vom Typ SG 38. 1945, nach dem Zweiten Weltkrieg, war das vorher so mühsam Geschaffenen restlos zerstört.

Die ehemalige Flieger-Schule auf dem Rittern. Foto: Gemeinde Tiefenbronn

Das Vereins- beziehungsweiße Flugschule-Gebäude auf dem Rittern war beim Einmarsch der französischen Truppen von diesen zerstört worden.

Nach dem Krieg war das vorher so mühsam geschaffene restlos zerstört. Man fing wieder bei null an. Schon 1948 / 1949 trafen sich wieder einige Pforzheimer Flieger und begannen Segelflugmodelle zu bauen. Geflogen werden durfte aber in jenen Jahren noch nicht. Als “Pforzheimer Flugsportgruppe” bildeten sie eine kleine Gruppe, die dem Segelflug treu geblieben war. So kam es, nachdem das Flugverbot 1951 aufgehoben wurde, zur Neugründung des Vereins, der heute seinen Flugplatz in Straubenhardt im Enzkreis hat.