Protestaktion mit Praxisschließungen am Montag

bei Georg Kost

Wegen Protestaktion kann es am Montag zu Praxisschließungen kommen. Symbolfoto: infopress24de

STUTTGART, 01.10.2023 (pm) – In der bundesweiten Aktion „Praxenkollaps“ machen Ärzte und Psychotherapeuten am Montag auf die sich durch die aktuelle Gesundheitspolitik ergebende hochgradige Gefährdung der wohnortnahen ambulanten haus- und fachärztlichen sowie psychotherapeutischen Versorgung aufmerksam. In Regionen mit voraussichtlich vielen geschlossenen Praxen wurde ein ärztlicher Bereitschaftsdienst für Montag eingerichtet. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) unterstützt die Protestaktion mit Praxisschließungen am morgigen Montag.
Der Vorstandsvorsitzende der KVBW, Dr. Karsten Braun, erläuterte dazu: „Schon im Juni haben Tausende unserer Mitglieder zusammen mit ihren Praxisteams auf dem Schlossplatz in Stuttgart gegen die miserablen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen protestiert. Im August haben dann 800 Mitglieder aus ganz Deutschland eine beeindruckende Kulisse geschaffen, als die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung einen Forderungskatalog an die Politik verabschiedet hat. Die ambulante Versorgung in den Haus- und Facharztpraxen stellt das Rückgrat der medizinischen Versorgung der Bevölkerung dar. Die Wartezimmer sind voll, doch unsere Mitglieder werden immer öfter dazu gezwungen, Patientinnen und Patienten abweisen zu müssen. Bisher haben wir jedoch nicht den Eindruck, dass wir von Bundesgesundheitsminister Lauterbach gehört werden. Offensichtlich müssen wir noch lauter werden. Der Forderungskatalog für ausreichende Finanzierung der Praxen zur Sicherstellung der Versorgung im Land, als Arbeitgeber für medizinische Fachangestellte, 2 als Weiterbilder für ärztlichen Nachwuchs und gegen Regresse oder fehlende Ambulantisierung wird weiter ignoriert. Wenn diese Gesundheitspolitik so weitergeht, werden sich Patientinnen und Patienten auf eine völlig andere Versorgungssituation ohne Praxen, mit weniger Qualität, langen Wartezeiten und weiten Fahrwegen einstellen müssen. Und eine Praxis, die einmal weg ist, kommt nie mehr wieder!“
Für seine Vorstandskollegin Dr. Doris Reinhardt hat sich in den letzten Wochen immer stärker gezeigt, dass ein Umdenken in der Gesundheitspolitik erforderlich ist. „In unserem aktuellen Versorgungsbericht für Baden-Württemberg haben wir deutlich auf[1]gezeigt, dass die ambulante Versorgung vor riesigen Problemen steht.
Mehr als 1.000 Arztsitze sind in Baden-Württemberg nicht besetzt. Für die Praxisteams in der Versorgung bedeutet dies eine massive Mehrbelastung und auch Frust, weil z.B. im hausärztlichen Bereich 927 Kolleginnen und Kollegen mit ihren MFA-Teams für die Patientenversorgung fehlen.
Unseren Mitgliedern wird darüber hinaus nach wie vor ein Budget zugewiesen, so dass sie in ihren Leistungen beschränkt sind. Die immer stärker um sich greifende Misstrauenskultur führt zu permanent mehr Bürokratie, so dass in den Praxen immer mehr Zeit für Anträge und Dokumentation als für die Patienten aufgewendet werden muss. Die bisherigen digitalen Anwendungen kosten die Praxen nur Zeit und Geld, sie bringen keine Entlastung, die aber dringend benötigt wird. Regresse und Prüfungen bei Verordnungen sind weiterhin an der Tagesordnung, die minimalen Honorarerhöhungen decken nicht einmal die Inflation. All das führt dazu, dass immer mehr junge Ärztinnen und Ärzte sich das alles sich nicht antun möchten und daher ein entspanntes Angestelltenverhältnis wählen. Wer aber glaubt, die ambulante Gesundheitsversorgung nur noch mit angestellten Ärztinnen und Ärzten aufrechterhalten zu können, der irrt gewaltig.“
Beide Vorstände appellierten an alle Politiker aus Kommunen, Landkreisen und Land mit Verantwortung für ihre Heimatregionen, sich endlich im Interesse ihrer Wählerinnen und Wähler als Patientinnen und Patienten auf die Seite der freiberuflichen Praxen und medizinischen Versorgungszentren zu stellen und die wohnortnahe Patientenversorgung durch Abkehr vom aus Berlin derzeit eingeschlagene Weg zur zentralistischen Staatsmedizin zu fördern.
Auch Patientinnen und Patienten können sich unter https://www.praxenkollaps.info/ für den Erhalt ihrer Praxen engagieren.