PFORZHEIM, 19.04.2022 (pm) – Auf den Tag genau 30 Jahre zurück lag am Karfreitag die Eröffnung der Landesgartenschau Pforzheim am 15. April 1992 unter dem Motto „Natur und Technik“. In einem bis dahin „städtebaulich unterbelichteten Bereich“, wie es zeitgenössisch hieß, im Hinterhof großer Industrieanlagen entstand anlässlich des sechs Monate dauernden Events mit dem Enzauenpark ein attraktives Freizeit- und Naherholungsangebot, das die Enz als naturnahe Lebensader der Stadt wieder ins Bewusstsein zurückholte und das grüne Herzstück Pforzheims Bürgerinnen und Bürgern, Besucherinnen und Besuchern bis heute zugänglich macht. Anlässlich von 30 Jahren Landesgartenschau möchte die Stadt Pforzheim nun zugleich zurück- wie vorausblicken und alte mit neuen Perspektiven auf den Enzauenpark verbinden.
Damit während der Landesgartenschau letztlich über 1,3 Millionen Besucherinnen und Besucher über die 40 Hektar große neue Anlage in der Pforzheimer Oststadt schlendern und sich inmitten der renaturierten Flusslandschaft von bunten Pflanzenausstellungen ebenso inspirieren lassen konnten wie von spannenden technischen Ideen, waren 10 Jahre intensive Vorarbeiten notwendig. „In allererster Linie verdankt Pforzheim die Landesgartenschau und den Enzauenpark dem damaligen Ersten Bürgermeister Siegbert Frank, der mit wegweisenden Ideen und großer Beharrlichkeit den Weg dafür bereitet hat, dass wir auch heute noch von diesem Projekt profitieren, und dem damaligen Gemeinderat, der die Chance eines Landesgartenschau für unsere Stadt erkannt hat“, betont Baubürgermeisterin Sibylle Schüssler. 1982 hatte Pforzheim den Zuschlag für die Landesgartenschau erhalten, doch erst 1985 fiel die Entscheidung, das Gelände entlang der Enz zwischen Heizkraftwerk, Kohlebunker, Kläranlage, Wasserwerk zu entwickeln. Den wiederum zwei Jahre später ausgelobten Realisierungswettbewerb entschied die Architektengemeinschaft Knoll/Reich/Lutz für sich, die innerhalb eines Jahres einen Rahmenplan erarbeiteten. 1988 entschied Gemeinderat, auf dieser Grundlage die Landesgartenschau auch wirklich durchzuführen, und übertrug das Projekt in die Zuständigkeit einer eigens gegründeten GmbH. Noch im selben Jahr folgte der erste Spatenstich.
Das Gesamtkonzept sah als Leitidee „Natur und Technik“ vor: Die Planer wollten die räumlichen Gegebenheiten bewusst aufgreifen, um Industrie, Umwelt und die Bedeutung des Naturschutzes miteinander zu verschränken. An Nord- und Südufer der Enz zeigte sich die Landesgartenschau daher von zwei ganz unterschiedlichen Seiten: intensiv und kleinteilig gestaltet der Norden mit der neu gebauten St.-Maur-Halle, dem Vicenzaplatz, der Stadtgärtnerei, den Hohwiesengärten und künstlerisch-technischen Installationen – der Süden weitläufig, naturnah und mit großzügigen Aufenthalts-, Spiel- und Freizeitflächen. Dazwischen die in einem bis dahin einmaligen Pilotprojekt renaturierte Enz mit ihren Biotopen, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts begradigt und in einem befestigten Kanal eingezwängt gewesen war. Verbunden wurden Nord- und Südseite von drei neuen Fußgängerbrücken: dem Römersteg, dem Steg am Wasserweg und dem Eutinger Waagsteg.
Die Renaturierung des Flusses erforderte hohe technische Umsicht: Zu beachten hatten die Planer insbesondere den Trinkwasserschutz, die Hochwassersicherheit und die Versorgungsleitungen, die im Bereich der Enz verlegt waren. Das zweite große Infrastrukturprojekt war die Verlegung der vierspurig ausgebauten B10 auf ihre heutige Trasse, die im Vorfeld der Landesgartenschau sehr ambitioniert angegangen werden musste. Hinzu kamen begleitende Investitionen der Stadtwerke Pforzheim in das Heizkraftwerk, den Kohlebunker und das Wasserwerk sowie der Neubau des Flusskraftwerks in Eutingen. Allein für diese begleitenden Maßnahmen investierten Bund, Land, Stadt und Stadtwerke umgerechnet 43 Millionen Euro. Zusammen mit den fast 15 Millionen Euro, die in den eigentlichen Enzauenpark und das Umfeld investiert wurden, standen am Ende beinahe Infrastrukturinvestitionen in einer Höhe von 58 Millionen Euro. Die Ausgaben für die eigentliche Durchführung der Landesgartenschau – mit Bepflanzung, Ausstellungen, Programm, Werbung und Personal – lagen bei 5,9 Millionen Euro, die vollständig durch die Einnahmen aus Eintritt, Mieten, Sponsoring und Zuschüssen gedeckt waren.
Auch heute noch lebt das Areal vom Kontrast und gleichzeitig von der Symbiose mit den versorgungstechnischen Großanlagen. Die Wahrzeichen des mit Industrialisierung und Wachstum aufgekommenen Ressourcenbedarfs säumen die Enz, die gemeinsam mit Nagold und Würm die wiederentdeckte Lebensader Pforzheims bildet. „Aus heutiger Sicht haben sich die Verantwortlichen des Jahres 1992 als enorm weitsichtig erwiesen mit ihrem frühen Blick auf kommende Megatrends, die heute in aller Munde und allen Köpfen sind, und die weltweit zum Handeln aufrufen“, sagt Sibylle Schüssler. Unweigerlich zwingen der Klimawandel und seine Folgen dem Menschen neue Perspektiven auf die Verknüpfung von Natur, Umwelt und Technik auf. Die Antworten, die Fachleute immer wieder geben, lauten mehr Stadtgrün, mehr und natürlichere Gewässer, weniger Verkehr und neue Formen der Mobilität, Ressourcenschonung und Artenschutz. In Pforzheim wurden Versorgungsinfrastruktur und Naherholung räumlich und gedanklich bereits 1992 verknüpft. Als besondere Attraktion führten solarbetriebene Kunstinstallationen und Anwendungsstudien den Besucherinnen und Besuchern der Landesgartenschau visionär technische Möglichkeiten vor Augen, naturnah und dennoch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Maschinenraum der Stadt.
Doch nicht nur für das Stadtklima ist der Enzauenpark wichtig, Freizeit und Erholung stehen heute ebenso im Blickpunkt. Im westlichen Eingangsbereich zum Park präsentiert sich der Fluss auf der gesamten Breite des Vicenzaplatzes, wo mit Gasometer und St.-Maur-Halle außerdem touristische sportliche Ziele locken. Entlang des Flusses ziehen sich Spazier- und Fahrradwege entlang und verbinden Pforzheim mit dem Landesradwegenetz. Am Südufer laden der Wasserspielplatz und ausgedehnte Grünflächen zum Verweilen ein, insektenfreundliche Blühmischungen und naturnahe Grünkonzepte erfreuen nicht nur das Auge, sondern auch die heimische Tierwelt.
Zu bieten hat der Enzauenpark seinen kleinen und großen Besucherinnen und Besuchern also noch einiges. Dennoch sieht man bei der Stadt Pforzheim, dass der Park nach 30 Jahren nach einer neuen Perspektive ruft. Bürgermeisterin Sibylle Schüssler: „Mit dem kleinen Naschgarten und den barrierefreien Inklusionsbeeten, die wir pünktlich zum Jubiläum der Landesgartenschau angelegt haben, möchten wir einen kleinen aber feinen Ausblick darauf geben, dass wir den Park in den kommenden Jahren mit zukunftsfähigen Konzepten in seiner Wechselwirkung mit dem städtischen Raum weiterentwickeln wollen.“ So soll der Enzauenpark auch in seiner vielschichtigen Rolle für ganz Pforzheim gestärkt werden. Der in die Jahre gekommene Römersteg wird durch einen modernen und klimafreundlichen Holzneubau für den Fuß- und Radverkehr ersetzt, im Gespräch sind außerdem eine Skateanlage und Flächen für Urban Art als kreative Freiräume, die Pforzheim als Kulturstandort voranbringen können. Die Möglichkeiten und Wege sind zahlreich, gedacht werden sollen sie jedoch gemeinsam: Als Teil der städtischen Zukunftsvision für die Oststadt soll der Enzauenpark noch stärker für den Stadtteil und auch der Stadt insgesamt geöffnet, damit auch die Enz als naturnaher Erholungsraum wieder neu zugänglich und erlebbar wird. Wie bei diesen Fragestellungen auch alte Perspektiven auf den Enzauenpark und die Pforzheimer Stadtentwicklung helfen können, vermag ein Blick auf historisches Bild- und Videomaterial zu zeigen, das die Stadt Pforzheim mit Unterstützung des SWR und des Stadtarchivs anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Landesgartenschau zusammengetragen und unter www.pforzheim.de/enzauenpark veröffentlicht hat.