CALW, 27.07.2023 (pm) – Unkraut vergeht nicht – oder doch? Über viele Jahrhunderte haben sich in unseren Getreideäckern besondere Wildkräuter etabliert, die auf einen extensiven Ackerbau angepasst sind. Klatschmohn, Kornblume oder auch Kamille ließen die Äcker bis in die 1950er-Jahre bereits von weitem bunt leuchten. Aber auch unscheinbare Arten wie Acker-Rittersporn, Adonisröschen oder Acker-Stiefmütterchen fanden sich insbesondere auf kargen und gut besonnten Ackerflächen. Da ertragsschwache Äcker in der Vergangenheit häufig zu Wiesen umgewandelt, aufgeforstet und Flächen durch Überbauung versiegelt wurden, sind jedoch viele wertvolle Ackerwildkraut-Standorte mittlerweile verloren gegangen. Auch durch Veränderungen in der Bewirtschaftung des Ackerlands und den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft wurden die Bedingungen auf vielen Äckern so verändert, dass sich Ackerwildkräuter nicht mehr entfalten können. Daher gelten zahlreiche Ackerwildkraut-Arten bundesweit mittlerweile als ausgestorben oder stark gefährdet.
Erfreulicherweise gibt es im Landkreis Calw noch zahlreiche Flächen auf denen besondere Arten vorkommen. Um Landwirte zu würdigen, die ihre Flächen so bewirtschaften, dass der Ackerwildkraut-Reichtum erhalten bleibt und zugleich erfolgreich Getreide produziert wird, hatten der Landschaftserhaltungsverband Calw und die Abteilung Landwirtschaft und Naturschutz im Landratsamt Calw in diesem Jahr zur „Ersten Ackerwildkrautmeisterschaft im Landkreis Calw“ aufgerufen. Zwölf Landwirte nutzten die Chance und meldeten jeweils einen Acker zum Wettbewerb an. Mitte Juni wurden die Flächen dann von einer fachkundigen Jury bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Naturschutz- und Landwirtschaftsverwaltung sowie vom Landschaftserhaltungsverband hinsichtlich pflanzenbaulicher und ökologischer Kriterien begutachtet. Pluspunkte gab es für die Häufigkeit besonderer Arten. Abzug für das übermäßige Vorkommen von sogenannten Problemunkräutern wie Distel oder Ampfer, aber auch für einen zu geringen Kornertrag.
Anfang Juli wurden nun die Gewinner geehrt. Peter Schäfer, Dezernatsleiter im Landratsamt überbrachte gemeinsam mit Philipp Beck vom Landschaftserhaltungsverband und den beiden Biodiversitätsberatern Benedikt Günthner und Alexander Merkel die Präsente. Den ersten Platz belegt Manfred Walz aus Möttlingen mit seinem Roggen-Acker im Naturschutzgebiet Hörnle Geißberg in Simmozheim. Als besonderer Höhepunkt konnten hier gleich mehrere, darunter auch stark gefährdete Arten wie der Venuskamm und der Ackerhahnenfuß, in besonders großer Anzahl gefunden werden. Der zweite Platz ging an Karolin Weik und Marc Vollmer aus Wildberg mit einem Sommergerste-Acker auf dem unter anderem der seltene Rote Gauchheil gefunden werden konnte. Mit 22 verschiedenen Arten zeichnete sich der Acker von Eberhard Pfrommer in Calw-Altburg aus und erhielt damit den dritten Platz. Die drei Erstplatzierten erhielten jeweils eine Urkunde sowie ein Foto ihres Sieger-Ackers. Der Sieger erhielt zudem ein Buch über alte Getreidesorten. Alle Siegerflächen zeigten neben den vorkommenden Ackerwildkräutern auch einen stattlichen Getreideertrag. Insgesamt wurden auf den Flächen aller Teilnehmer 55 verschiedene Ackerwildkrautarten gefunden.
Ackerwildkrautgemeinschaften lassen sich nur auf landwirtschaftlich genutzten und bewirtschafteten Ackerflächen erhalten, da sie auf eine regelmäßige Bodenbearbeitung und die Kulturen des Ackerbaus angewiesen sind. Ideal sind Getreideäcker die nicht zu dicht gesät sind, wenig gedüngt werden und wenig Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Auch Blühmischungen sind ungünstig für die heimischen Ackerwildkrautflora, da sich dort meist Arten etablieren die konkurrenzschwache Ackerwildkräuter verdrängen. Lichte Getreideäcker dienen neben den Ackerwildkräutern auch heimischen Feldvögeln wie z.B. der Feldlerche oder dem Rebhuhn als Lebens- Nahrungs- und Rückzugsraum. Zahlreiche Insekten nutzen Ackerwildkräuter ebenso als Nahrungspflanzen und zur Eiablage. Das Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt der Landesregierung bietet vielfältige Fördermöglichkeiten für Maßnahmen und Projekte zum Erhalt von Ackerwildkräutern in Getreideäckern. Der Landschaftserhaltungsverband und das Landratsamt Calw unterstützen die Bewirtschaftung solcher Flächen mit Mitteln des sogenannten Vertragsnaturschutz finanziell. Landwirte erhalten damit einen Ausgleich für den erhöhten Arbeitsaufwand und den geringeren Ertrag auf diesen Flächen.