ENZKREIS, 01.04.2024 (enz) – Zunächst war man noch skeptisch im Landratsamt, aber inzwischen scheint klar: „Der Erlass des Verkehrsministeriums lässt uns einen großen Ermessens- Spielraum“, so Landrat Bastian Rosenau. Die Anordnung hat er bereits unterschrieben, ab Montag werden nun die ersten Schilder aufgestellt – und die meisten anderen abgebaut. Denn im Enzkreis gilt ab kommender Woche flächendeckend Tempo 30.„Wir erfüllen damit den Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger nach einem umfassenden Schutz vor Verkehrslärm“, betont der Kreis-Chef. Und zwar nicht nur innerhalb geschlossener Ortschaften, wo ohnehin fast überall 30er-Schilder stehen, sondern auch auf freier Feldflur. „Wir schlagen damit gleich mehrere Klappen mit einer Fliege“, erläutert Oliver Müller, Leiter des Straßenverkehrs- und Ordnungsamts. „Immer wieder bekommen wir zum Beispiel Anträge auf Versetzung von Ortsschildern, weil die Bebauung sich entlang der Landstraße zieht.“ Die Rechtslage gebe das nicht her – „aber mit Tempo 30 überall braucht es das ja auch gar nicht mehr.“
Und Müller zählt weiter auf: „Gefährliche Kurven? Bei Tempo 30 kein Problem. Unübersichtliche Straßenführung? Die Leute fahren langsam genug.“ Auch die immer wieder beklagte Verwirrung, zu welcher Tages- oder Nachtzeit man denn nun langsam fahren müsse, erledige sich: „Die Antwort ist einfach: Immer! Und noch etwas sorgt für Entspannung: „Wir sparen jede Menge Schilder ein, was uns bei den aktuellen Lieferschwierigkeiten sehr entgegenkommt“, zeigt er sich erleichtert.
Ebenfalls kein Thema mehr: Die Prävention bei Wildunfällen. „Wer einmal versucht hat, einem Reh hinterher- oder vor einem Wildschwein wegzulaufen, der weiß, wie schnell die Tiere sind“, weiß der Wildtierbeauftragte Bernhard Brenneis. Er geht davon aus, dass die Vierbeiner eine Straße längst passiert haben, ehe ein Fahrzeug mit 30 Kilometern pro Stunde an der Stelle der Wildquerung angelangt sei. Blaupause sind für ihn dabei die bislang nur temporär angeordneten Beschränkungen während der Amphibienwanderungen. „Wenn Lurchi und Co da schnell genug über die Straße kommen, reicht es für Dachs und Fuchs allemal.“
Dass die durchgängige 30er Regel auch der Verkehrssicherheit und dem Klimaschutz dienen kann, spielte bei der Entscheidung für eine flächendeckende „Tempo 30-Zone Enzkreis“ allerdings keine Rolle: „Es ging einzig und allein um den Lärmschutz“, betont der Jurist und zuständige Dezernent Holger Nickel. Man habe dafür schon sehr früh begonnen, den rechtlich notwendigen Lärmaktionsplan für das ganze Kreisgebiet aufzustellen. „Das Ergebnis hat uns selbst verblüfft“, so Nickel, „aber es war klar genug, um diesen Weg zu gehen.“
Eine einzige Lücke bleibt: Die Autobahn A 8. „Wir sind in intensiven, aber sehr zähen Gesprächen mit dem Verkehrsministerium und der Autobahnbetriebsgesellschaft“, zeigt sich Landrat Rosenau leicht genervt: „Es kann doch nicht sein, dass wir überall entschleunigen, um für mehr Ruhe und Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, und am Nöttinger Gefälle oder am Enzhang messen wir Dezibelwerte im dreistelligen Bereich.“
Mit zahlreichen Messungen hat der Enzkreis zweifelsfrei nachgewiesen, dass der Verkehr zwischen Darmsbach und Heimsheim deutlich flüssiger und dadurch schneller wird, wenn alle 30 fahren. Vor allem würde die Zahl der Unfälle und der dadurch ausgelösten Verkehrsbehinderungen praktisch auf null sinken. „Im Endeffekt ist man ja bei all den Staus, die es auf dieser Strecke ständig gibt, ohne Tempolimit im Schnitt sogar länger unterwegs als mit“, betont Oliver Müller.
Bernhard Brenneis kämpft schon länger für langsames Fahren auf der A8: „Unser Luchs mit dem schönen und passenden Namen B 962, der im Januar auf der A8 überfahren wurde, hätte dann eine Chance gehabt.“