Sicher auf dem E-Bike

Entwicklung eines Fahrerassistenzsystems für E-Bikes

bei Georg Kost

Probandenstudie des Forschungsprojekts „BikeAssist“ an der Hochschule Pforzheim. Foto: Karoline Schäfer / Hochschule Pforzheim

PFORZHEIM, 09.04.2022 (pm) – Fahrradfahrer sind neben Fußgängern die gefährdetsten Verkehrsteilnehmer. Vor allem bei Pedelec-Fahrenden zeigen Studien steigende Unfallzahlen. Die Gründe hierfür sind vielseitig – genauso wie die Unfallhergänge. Wie muss ein Assistenzsystem aussehen, das E-Bike-Fahren speziell für ungeübte Nutzer sicherer macht? Im März ist auf dem Campus der Hochschule Pforzheim die zweite mehrtägige Probandenstudie zum Thema „Sicherheit und Stabilität bei Pedelecs“ durchgeführt worden.
Mehr als 60 Frauen und Männer zwischen 60 und 84 Jahren absolvierten auf einem mit Sensoren und Messtechnik ausgestatteten Pedelec verschiedene Fahraufgaben. Die Studie erfolgte im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts „BikeAssist – Querstabilisierung elektrisch unterstützter Fahrräder bei niedrigen Geschwindigkeiten“ der Hochschule Pforzheim: Der Doktorand Yannick Hanakam sowie die Professoren Dipl.-Ing. Jürgen Wrede, Dr.-Ing. Martin Pfeiffer, Dr.-Ing. Stefan Hillenbrand, Dr.-Ing. Peter Heidrich aus den Bereichen Maschinenbau und Informationstechnik sowie Professorin Dr. Christa Wehner aus der Marktforschung und ihr Team gehen hier seit drei Jahren der Frage nach, wie die Stabilität eines E-Bikes bei geringen Geschwindigkeiten verbessert werden kann.

„In unserer ersten Probandenstudie 2020 erforschten wir die grundlegenden Anforderungen an ein Sicherheits- bzw. Assistenzsystem und stellten objektive Kriterien zur Beurteilung der Fahrstabilität anhand gemessener Größen auf“, so Christa Wehner. „Die aktuelle zweite Probandenstudie hat zum Ziel, nachzuweisen, dass das von uns entwickelte Assistenzsystem wirklich die Stabilität beim Pedelecfahren erhöht und zu prüfen, wie der Radfahrende den durch das Assistenzsystem vorgenommenen Eingriff zur Erhöhung der Stabilität empfindet.“ Hierzu wurden die objektiven Messdaten um die subjektiven Eindrücke der Probanden hinsichtlich ihres Fahrgefühls ergänzt. Die Probanden absolvierten jeweils eine Geradeausfahrt sowie einen Parcours, der eine Slalomfahrt sowie das Passieren einer engen Gasse verlangte. Auch der Schulterblick, das Abbiegen nach links und rechts sowie das Erkennen von Handzeichen und Ziffern waren Teile der Testfahrt. Die Geradeausfahrt wurde insgesamt neunmal, der Parcours von jedem Probanden sechsmal absolviert – jeweils zunächst einmal ohne und im weiteren Verlauf mit Unterstützung durch das Assistenzsystem in unterschiedlichen Variationen. Abschließend wurden die Probanden befragt, wie sie ihre Fahrleistung und ihr Gefühl der Fahrsicherheit jeweils im Vergleich einschätzten.

Rund 39.000 Euro ist das am BikeAssist-Pedelec implementierte Assistenzsystem samt Messtechnik wert. „Unser System ermittelt die Daten exakt. Gängige GPS-Sensoren erfassen beispielsweise die Position nur auf zehn Meter genau, während unser hochgenauer GPS-Sensor die Position des E-Bikes auf den Zentimeter genau erfasst – wir können quasi jeden noch so kleinen ‚Schlenker‘ erkennen und auswerten“, sagt BikeAssist-Doktorand Yannick Hanakam. Weiter erfassen Drehraten-, Lenk- und Beschleunigungssensoren hochgenau die Geschwindigkeit, die Fahrtrichtung sowie die Lenkbewegung des E-Bikes. „Darüber hinaus messen wir durch einen selbstentwickelten, in das Steuerrohr integrierten Lenkmomentsensor das vom Radfahrenden aufgebrachte Lenkmoment. Mit diesem können wir dann die zum Gleichgewichthalten erforderlichen Lenkbewegungen des Radfahrers analysieren“, erklärt Yannick Hanakam. Zusätzlich wurde die Bewegung der Probanden über eine am Pedelec angebaute Kamera gefilmt. „Insgesamt zeichneten wir etwa 130 Messsignale von elf Sensoren auf“, so der Forschungsmitarbeiter. Die BikeAssist-Forschungsarbeiten erfolgen am Institute for Smart Bicycle Technology (ISBT) der Hochschule Pforzheim. Das 2019 gegründete Institut bündelt Projekte und Entwicklungsaktivitäten der Hochschule Pforzheim in den Bereichen der Fahrradtechnologie. Gegenwärtige Schwerpunkte sind neben der Entwicklung neuer mechatronischer Fahrerassistenzsysteme die Komponenten- und Prüfstandsentwicklung für Fahrräder sowie die Entwicklung von Leichtbaukomponenten mit einem neuartigen 3D-Faser-Wickelroboter.

Das Projekt „BikeAssist“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „Förderung von Forschung an Fachhochschulen“ gefördert. Projektpartner sind die Robert Bosch GmbH, die IPG Automotive GmbH sowie die Universität Rostock.