Neuhausen zwischen Investitionsdruck und Zukunftsfragen

Gemeinde sucht stabilen Kurs

bei Georg Kost

Wünsche und Anregung aus der Bürgerschaft waren bei der Einwohnerschaft zu vorgegeben Themen erwünscht. Foto: Georg Kost

NEUHAUSEN, 14.11.2025 (rsr) –  Die Einwohnerversammlung in der Schwarzwaldhalle Schellbronn am Donnerstag zeigte ein vielschichtiges Bild der Herausforderungen, vor denen die Gemeinde Neuhausen derzeit steht. Bürgermeisterin Sabine Wagner legte einen umfassenden Bericht vor, der die angespannte finanzielle Situation ebenso beleuchtete wie die Vielzahl laufender und geplanter Projekte.
Trotz breiter Themenfülle prägten die fortschreitende Verschuldung, der Investitionsstau und die unzureichenden strukturellen Rahmenbedingungen den Abend maßgeblich.

Im Zentrum stand die kommunale Haushaltslage, deren Entwicklung einer wachsenden Problemstellung gleicht. Der Schuldenstand wird sich von ursprünglich 3,3 Millionen Euro zu Jahresbeginn auf etwa 5,8 Millionen Euro erhöhen. Die daraus resultierende Pro-Kopf-Verschuldung von 1.115 Euro zeigt, wie stark der finanzielle Spielraum der Kommune geschrumpft ist. Konnte die Mindesliquidität im Planungsjahr 2025 mit Eigenmittel noch knapp eingehalten werden, muss ab dem Jahr 2026 allerdings damit gerechnet werden, dass diese überschritten und der gesamte Finanzplanungszeitraum mit negativen liquiden Eigenmittel geplant werden muss, was unter anderem bedeutet, dass die Gemeinde nur Kredite aufnehmen darf, wenn einen andere Finanzierung nicht möglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre.
Auslöser hierfür sind sowohl aufgeschobene Investitionen der vergangenen Jahre als auch aktuelle Projekte, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben und infrastruktureller Notwendigkeiten nicht länger vertagt werden können.

Auch bei den Steuereinnahmen wie der Grundsteuer kann Neuhausen keine wesentlichen Entlastungen erwarten. Die Prognosen ab 2026 sehen lediglich einen moderaten Zuwachs von rund 313.000 Euro gegenüber dem Jahr 2024 vor. Diese Summe verdeutlicht, dass die Einnahmequellen nahezu ausgeschöpft sind. Die Einkommensteuer wird voraussichtlich 4,34 Millionen Euro einbringen, die Gewerbesteuer etwa 2,45 Millionen Euro – stabile Werte, die jedoch kaum Luft für zusätzliche Ausgaben lassen. Besonders betroffen sind daher die freiwilligen Leistungen, etwa in der Kultur- und Vereinsförderung. Die geplanten Anpassungen der Hallengebühren sorgen hier bereits für Diskussionen,

Auf Hochtouren laufen die inneren und äußeren Erschließungsarbeiten für das Baugebiet Falter in Neuhausen (unser Foto zeigt die Tiefbaumaßnahmen an der Pforzheimer Straße), deren Fertigstellung bis zum Spätsommer 2026 geplant ist. Foto: Georg Kost

Trotz dieser Lage arbeitet die Gemeinde an einer Reihe umfassender Infrastrukturmaßnahmen. Im Ortsteil Neuhausen schreitet der Ausbau des Baugebiets Falter voran, dessen innere und äußere Erschließung bis Spätsommer 2026 abgeschlossen sein soll. Drei Bauplätze zu 450 Euro pro Quadratmeter stehen noch zum Verkauf. Parallel hierzu werden im Gewerbegebiet West II sieben Flächen zu 150 Euro pro Quadratmeter angeboten.
Weitere Schwerpunkte bilden der Ausbau des Gewerbegebiets Heumaden III sowie die anstehende Entscheidung über die Ansiedlung eines großflächigen Lebensmittel- Vollsortimenters im West-II-Areal, der neue Impulse für die lokale Versorgung setzen soll.

Auch andere, doch bedeutende Maßnahmen haben zur Gesamtbelastung beigetragen: der Bau eines neuen Kinderbildungszentrums in Steinegg, die Erweiterung von Urnengrabfeldern sowie die Anschaffung eines Bauwagens für den Kindergarten in Schellbronn.
Hinzu kommt die geplante Schaffung von 30 zusätzlichen Parkplätzen für die Verbandsschule und das Kinderbildungszentrum für rund 425.000 Euro. Ein besonders kostenintensives Vorhaben ist der Neubau einer Sportanlage (200 Meter Rundbahn, 100 Meter Laufbahn, Hoch-, Weit- und Stabhochsprung, Kugelstoß- und Diskusanlage, Kleinspielfeld mit Basketballkörben und Fußballtoren) mit einem Investitionsvolumen von 1,8 Millionen Euro, für dessen Realisierung die Gemeinde gezielt Förderprogramme in Anspruch nehmen möchte.

In der Daseinsvorsorge bleibt die ärztliche Versorgung ein ungelöstes Thema. Die Suche nach einem Betreiber für ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) verlief bislang ergebnislos. Die Gemeinde sieht sich daher gezwungen, weiterhin nach tragfähigen Modellen zu suchen, um die medizinische Grundversorgung langfristig sichern zu können.

Ein zukunftsweisendes Projekt findet sich im Glasfaserausbau: Mit Anschlussquoten zwischen 78 und 94 Prozent in den Ortsteilen liegt Neuhausen deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Kommunen. Bis 2026 soll eine weitgehende Flächendeckung erreicht werden. Weniger dynamisch verläuft hingegen die Planung des Radwegs zwischen Neuhausen und Bad Liebenzell-Unterhaugstett.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der strukturellen Neuausrichtung kommunaler Organisation. Der Gemeinderat wird im Dezember über die mögliche Gründung einer Energiegesellschaft beraten. Verschiedene Modelle – etwa mit den Stadtwerken Mühlacker, den Enzwerken oder der ENCW – stehen zur Wahl und sollen perspektivisch sowohl Versorgungssicherheit als auch finanzielle Vorteile schaffen.

Absehbare Veränderungen betreffen zudem die kommunalpolitische Landschaft selbst: Für den 8. März 2025 ist ein Bürgerentscheid zur unechten Teilortswahl angesetzt, der über die künftige Struktur des Gemeinderats entscheiden wird. Eine Informationsveranstaltung Ende Januar 2026 soll der Bevölkerung eine fundierte Entscheidungsbasis bieten.

Auch im Bereich der Sicherheitsvorsorge bleibt Neuhausen aktiv. Ende November ist eine groß angelegte Stabsrahmenübung unter Beteiligung der ENBW geplant, um Abläufe und Verantwortlichkeiten im Krisenfall zu überprüfen.
Darüber hinaus stehen langfristige Projekte wie die Änderung des Flächennutzungsplans für einen zentralen Feuerwehrstandort sowie Straßensanierungen in der Pforzheimer- und Furtstraße an, deren Umsetzung jedoch frühestens ab 2028 realistisch erscheint.

Die Einwohnerversammlung machte deutlich, dass Neuhausen vor einem Jahrzehnt der Entscheidungen steht: zwischen dem Anspruch, die Gemeinde zukunftsfähig zu gestalten, und der Realität finanzieller Zwänge. Bürgermeisterin Wagner zeigte sich entschlossen, diesen Spagat mit klaren Prioritäten und größtmöglicher Transparenz anzugehen – wissend, dass viele Lösungen nicht allein in kommunaler Hand liegen.