ENZKREIS, 30.05.2020 (pm) – Von Nachbarn, vom Kinderarzt, von Lehrkräften und Erzieherinnen – aber auch von der Polizei und von Spielgefährten: Hinweise darauf, dass es einem Kind nicht gut geht, gibt es von vielen Seiten. Und die „SOS-Antennen“ des Jugendamtes sind dabei immer auf Empfang. Insgesamt 146 Mal ist das Jugendamt im Enzkreis im vergangenen Jahr gezielt solchen Hinweisen nachgegangen. Hinsehen, handeln und helfen lautet dessen Motto. Dabei steht immer das Wohl des Kindes im Mittelpunkt. „Wird es von den Eltern vernachlässigt? Muss es zu Hause Gewalt oder Misshandlung fürchten? Gibt es sexuelle Übergriffe? Das sind zentrale Fragen, wenn wir einschätzen, ob ein Kind oder ein Jugendlicher akut gefährdet ist“, sagte Christopher-Tom Reimann, stellvertretender Leiter des Enzkreis-Jugendamts bei einem Treffen von Fachkräften von Jugendamt und Schulsozialarbeit bei miteinanderleben e.V.
„Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter überlegen, was zu tun ist, damit Kinder und Eltern nicht überfordert werden“, erläutert Reimann und ergänzt: „Wichtig dabei ist, dass viele Augen auf die Situation in einer Familie schauen und diese möglichst gut verstehen, um ein differenziertes Bild zu bekommen.“ Was genau dann unternommen werde, entschieden die Fachleute gemeinsam. In jedem Fall gehe das Jugendamt allen Hinweisen nach und baue einen direkten Draht zur Familie auf. „Wir müssen uns die Lage konkret vor Ort ansehen“, sagt Wolfgang Schwaab, Leiter des Jugendamts.
Auffällig sei gewesen, dass aufgrund der coronabedingten Schließung von Schulen und Einrichtungen erheblich weniger Meldungen von dort registriert wurden – dafür deutlich mehr als im Durchschnitt, die von der Polizei ans Jugendamt gerichtet wurden.
In etwa einem Drittel der Fälle wurde keine Gefährdung oder Überforderung festgestellt. „Meist bleibt es dann bei einem Termin und einem Beratungs- und Unterstützungsangebot, zum Beispiel in einer unserer beiden Beratungsstellen“, sagt Schwaab. Bei 47 Meldungen wurde ein Unterstützungsbedarf festgestellt, in 45 Fällen war eine Kindeswohlgefährdung vorhanden und es wurden Hilfen für die Familien eingeleitet.
Bei schweren Fällen ziehe das Jugendamt aber auch die Notbremse, hole das Kind – wenigstens vorübergehend – aus der Familie heraus und vermittle in eine Jugendeinrichtung oder in eine ausgewählte Pflegefamilie. „So etwas ist nie leicht und immer das absolut letzte Mittel“, sagt Schwaab und beschreibt die Entscheidung als Balance-Akt zwischen dem Wohl des Kindes und dem Recht der Eltern auf Erziehung.
Prävention und frühe Unterstützung
Damit es erst gar nicht so weit kommt, setzt der Enzkreis seit langem auf Prävention und frühzeitige Unterstützung – besonders im Bereich Schule: Rund 50 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sind im Enzkreis im Einsatz, die meisten von ihnen beim freien Träger miteinanderleben e.V. Sie stehen Schülerinnen und Schülern mit Rat und Tat zur Seite und haben dabei das Kindeswohl fest im Blick.
„Wir legen Wert auf standardisierte Abläufe, die bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung greifen“, erläutert Maren Bieberich, Bereichsleitung Jugendsozialarbeit und stellvertretende Geschäftsführerin von miteinanderleben. Zum Team beim Verein gehöre daher eine erfahrene Kinderschutzkraft, die eine erste Einschätzung des Gefährdungsrisikos vornehmen könne.
„Eine enge Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ist darüber hinaus unabdingbar, um im Verdachtsfall schnell handeln zu können“, so Bieberich, die den gemeinsamen Fachaustausch schätzt: „Es ist gut, sich persönlich zu kennen und über die verschiedenen auch präventiven Unterstützungsmöglichkeiten ins Gespräch zu kommen.“ Denn das gemeinsame Ziel von Jugendamt und den Verantwortlichen bei miteinanderleben sei es, den Kindern und Jugendlichen in der Region die bestmögliche Hilfe zukommen zu lassen.