Im Hasenhäusle wackelt die Kaiserkrone

Vier ausverkaufte Theaterabende, neun spielfreudige Talente und ein Opa, der einfach nicht totzukriegen ist

bei Georg Kost

Das Stück „Der Opa und die Kaiserkrone“ sorgt bei den Tiefenbronner Theatertagen für Komik und Chaos. Foto: Georg Kost

TIEFENBRONN, 21.11.2025 (rsr) – Es gibt Orte, an denen die Kultur förmlich aus den Fenstern quillt wie der Hefeteig im schlecht verschlossenen Gärkorb. Das Tiefenbronner Hasenhäusle gehört ohne Zweifel dazu. Vier Theaterabende, vier Mal ausverkauft, knapp 600 begeisterte Besucher. Kaum war der Vorverkauf geöffnet, rissen dem Veranstalter Tiefenbronner Musik e.V. die Theaterfreunde die Karten aus den Händen. „Wir mussten viele auf nächstes Jahr vertrösten“, berichtet Armin Kühn, Vorsitzender des Vereins, Urgestein der Theatergruppe und – natürlich – selbst auf der Bühne mittendrin.

Und wofür dieser run? Ein Lustspiel mit Kräften. „Der Opa und die Kaiserkrone“ von Pirmin Stern, ein Dreiakter voller Komik, Chaos und Krawall, aufgeführt von der hochgradig eingespielten Laienspielgruppe, die seit Jahrzehnten das Kulturerbe des Ortes behutsam – und mit viel Gelächter – pflegt.

Ein Ensemble mit Liebe zum Detail und Chaos
Neun Laienschauspielerinnen und -schauspieler, die seit Mitte August probten, dazu Souffleuse, Maske, Technik und Regie – insgesamt ein 14-köpfiges Ensemble, das sich in diesem Jahr besonderen Herausforderungen stellen musste. Denn das Hasenhäusle war aufgrund der Sanierung der Gemmingenhalle über Wochen blockiert. „Uns blieben gerade mal vier Probeabende“, sagt Kühn, „zuvor mussten wir nach Mühlhausen ins Alte Schloss ausweichen.“

Dass dieser Ortswechsel keine Spuren auf der Bühne hinterließ, grenzt fast an Zauberei. Oder an die Hilfsbereitschaft der Gemeinde und Vereine in Mühlhausen und Tiefenbronn, denen Kühn ausdrücklich dankt: „Ohne deren Entgegenkommen hätten wir das nie so stemmen können.“ Und dass sich die Mühe lohnte, bewiesen die vier ausverkauften Abende – ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Tiefenbronner Theatertage längst im Herzen des Publikums thronen wie eine polierte Kaiserkrone aus dem Requisitenfundus.

Jasmin Schwartz (rechts) wurde für ihr zehnjähriges Bühnenjubiläum von Steffan Kunle geehrt. Foto: Georg Kost

Im Zentrum des Lustspiels steht ein Malergeschäft, das so ausgebucht ist, dass die Ausreden schneller renoviert werden müssen als die Häuser der Kundschaft. Tina, Assistentin der Geschäftsleitung, gespielt von der bühnenerfahrenen Jasmin Schwartz, die ihr zehnjähriges Bühnenjubiläum feiert, jongliert mit Kunden, Terminen und der Geduld ihres Chefs. Malergeselle Mike (Tobi Müller) wiederum hält sich für den heimlichen Chef und verteilt Ansagen wie Farbkarten im Baumarkt. Kathrin, die Haushälterin von betörender Mischung aus Naivität und Scharfsinn, wird von Gabi Hertl-Schucker mit einer solchen Wucht an Sprachwitz verkörpert, dass man sich fragt, warum diese Frau keine eigene Late-Night-Show hat.
Die eigentliche Chefin Anne (Christel Drewes) möchte sich einbringen, wird aber zuverlässig von allen ausgebremst, abgelenkt oder überhört. Gina (Maja Schwartz) wiederum möchte eigentlich nur raus. Am liebsten nach Australien. Oder irgendwohin, wo keiner „Mach mal schnell!“ ruft.

Armin Kühn (links) und Steffen Maurer werden zum wandern geschickt. Foto: Georg Kost

Neu im Ensemble ist Patrick Eckert als Chef Lars, der den Wald vor lauter Arbeit nicht sieht und das Chaos eher verwaltet als besiegt. Sandra, seine Schwägerin, gespielt von Diana Maier, versucht derweil, aus allem Kapital zu schlagen – bevorzugt aus Situationen, in denen das Wort „Nein“ ein Fremdwort ist.
Als Kunde Stefan – dargestellt von Armin Kühn höchstpersönlich – seine Baustelle im Ranking der Wichtigkeit nach oben pushen möchte, schickt man ihn kurzerhand mit Opa Franz (Steffen Maurer) zum Wandern. Was soll schon passieren? Nun ja: Im dritten Akt recht viel, inklusive vermeintlichem Absturz des Opas, dramatischen Verwicklungen und einer Enthüllung, die die gesamte Bühne zum Schauplatz kollektiver Fassungslosigkeit macht.

Regie, Souffleusen, Maskenmagie – Die stille Kraft im Hintergrund
Unter der Leitung von Regisseur Stefan Kunle entfaltet sich das Stück in einer Mischung aus feiner Situationskomik und knalligen Wortgefechten. Kunle versteht es meisterhaft, jede Figur so zu führen, dass ihre Eigenheiten glänzen, sich reiben – und manchmal krachend ineinanderpoltern.
Unverzichtbar für den reibungslosen Ablauf: Souffleuse Daniela Kunle, die selbst bei den wildesten Pannen souverän den rettenden Texttropfen in Richtung Bühne fließen lässt.
Hinter den Kulissen wirbeln außerdem Jana Sterk und Conny Giek als Maskenbildnerinnen, die selbst aus einem übernächtigten Malergesellen ein Bühnengesicht mit Strahlkraft zaubern. Und ohne Kai Pfeffinger an der Technik wäre die ganze Pracht nur halb so leuchtend – denn was nützt der beste Witz, wenn er im Dunkeln bleibt?

Ein Dorf, eine Bühne, ein Triumph
Die Theatertage in Tiefenbronn sind längst mehr als ein Programmpunkt im örtlichen Veranstaltungskalender. Sie sind ein Fest, eine Tradition, ein leuchtendes Beispiel dafür, wie viel künstlerische Energie in einem Dorf stecken kann, wenn Leidenschaft, Teamgeist und Humor miteinander verschmelzen. Die vier ausverkauften Aufführungen zeigen: Das Publikum liebt diese Art von Theater – bodenständig, mitreißend, warmherzig und voller Überraschungen.

Und eins ist gewiss: Wer dieses Jahr keine Karte bekam, darf sich schon jetzt auf 2026 freuen. Denn wenn in Tiefenbronn die Bühne ruft, bleibt kein Platz frei – höchstens der auf der Warteliste.  < Zur Fotogalerie >