Was Mobile Impfteams derzeit leisten können – und was nicht

bei Georg Kost

Symbolfoto: Thomas Rebel

ENZKREIS/PFORZHEIM, 13.01.2021 (enz)  Warum wird derzeit nur in Alten- und Pflegeheimen geimpft, nicht aber in Betreuten Wohnanlagen? Warum kann eine Person, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen kann, nicht einfach zu Hause geimpft werden? Diese und ähnliche Fragen stellen ältere Menschen und deren Angehörige derzeit an das Gesundheitsamt, vor allem nachdem in dessen Bezirk – also im Enzkreis und der Stadt Pforzheim – seit dem Jahreswechsel Mobile Impfteams (kurz: MIT) ihre Arbeit aufgenommen haben. „Mit der Entsendung von Mobilen Impfteams wird sichergestellt, dass priorisierte Personengruppen, die nicht in den Impfzentren geimpft werden können, vorrangig und niedrigschwellig Zugang zum Impfstoff haben“, erläutert Dr. Daniel Sailer, der den Aufbau des Kreisimpfzentrums (KIZ) in Mönsheim koordiniert.

Allerdings seien bislang nur die MITs des Zentralen Impfzentrums (kurz: ZIZ) in Karlsruhe in der Region im Einsatz. Sobald das Kreisimpfzentrum in Mönsheim und das der Stadt Pforzheim in der St. Maur-Halle an den Start gehen – was aller Voraussicht nach am 22. Januar der Fall sein wird – werden auch von dort Mobile Impfteams in die Alten- und Pflegeheime entsendet werden. Allein im Enzkreis gibt es davon 27, in denen rund 1.800 Menschen leben.

Auch wenn für die EU gerade ein zweiter Impfstoff zugelassen wurde, wird in der ersten Zeit nur eine begrenzte Menge verfügbar sein, von der überdies die Hälfte für die Zweitimpfung reserviert werden muss. Daher hat der Bund notgedrungen festgelegt, wer zuerst geimpft werden soll: Personen, die das 80. Lebensjahr vollendet haben, außerdem Menschen, die in stationären Einrichtungen behandelt, betreut oder gepflegt werden oder dort tätig sind sowie Personen, die im Rahmen ambulanter Pflegedienste regelmäßig ältere oder pflegebedürftige Menschen betreuen. „Und diese Priorisierung hat ihren guten Grund“, ergänzt Dr. Brigitte Joggerst, die Leiterin des Gesundheitsamtes. Laut einer aktuellen Veröffentlichung der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut gehe fast die Hälfte der COVID-19-Todesfälle in Europa auf Verstorbene in Pflegeheimen zurück; in der Region liege der Anteil sogar nahe 60 Prozent. Wer in einem Alten- und Pflegeheim lebe, habe gegenüber Personen desselben Alters, die nicht in einer derartigen Einrichtung untergebracht seien, ein um ein Vielfaches höheres Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren.

Nach einem Handlungsleitfaden des Landes, an den sich laut Sailer natürlich auch der Enzkreis zu halten hat, sind so genannte „aufsuchende Impfungen“ durch die MIT derzeit nur in vollstationären Pflegeeinrichtungen und neuerdings auch in ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf (sog. „Pflege-WGs“), in Hospizen (soweit sie ältere und pflegebedürftige Personen versorgen) und in gerontopsychiatrischen Stationen der Zentren für Psychiatrie möglich. „Andere ambulante Versorgungsformen wie beispielsweise betreutes Wohnen fallen derzeit leider nicht unter die von MITs aufzusuchenden Einrichtungen“, bedauert Sailer.

In jedem Fall vereinbaren die Mobilen Impfteams die Termine direkt mit den Leitungen der jeweiligen Einrichtungen. Die Bewohner beziehungsweise deren Angehörige müssen sich nicht selbst um einen Termin bemühen. Vorsicht sei geboten, falls sich jemand telefonisch bei älteren Menschen meldet, sich als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ausgibt und zum Impfen nach Hause kommen möchte. „Dabei handelt es sich um eine Betrugsmasche, mit der sich Kriminelle Zugang zu Privatwohnungen verschaffen wollen“, warnt Sailer und betont: „Sofern Personen das 80. Lebensjahr vollendet haben, haben sie Anspruch auf eine Schutzimpfung in den Impfzentren. Sollten sie allerdings nicht mobil sein und diese nicht aufsuchen können, kann die Impfung erst zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich im Rahmen der Regelversorgung und in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit des Impfstoffs erfolgen.“ Auch Menschen in Kurzzeitpflege würden nicht in den Heimen, sondern in den Impfzentren geimpft, weil sich aufgrund der Fluktuation in der Kurzzeitpflege Erst- und Zweitimpfung nicht verlässlich in der jeweiligen Einrichtung organisieren lassen.

„Wir wissen natürlich, dass es sich gerade bei Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, oft um Bevölkerungsgruppen handelt, die ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe aufweisen. Allerdings stellen aufsuchende Impfkonzepte besondere Anforderungen an Ausstattung und Logistik. Man kann im Moment nicht einfach ein Impfteam von Haus zu Haus schicken“, erklärt Kreisbrandmeister Carsten Sorg, der als Leiter des Sachgebietes Bevölkerungsschutz in engem Austausch mit den Hilfsdiensten steht, um die Fahrten der MITs zu koordinieren. So müsse bei der Routenplanung beispielsweise eine durchgehende Kühlung des Impfstoffs garantiert werden. Und das weitaus größere Problem: Sobald ein Impfteam in einem Privathaushalt den Impfstoff mit einer Lösung aufbereitet und danach eine der sechs daraus gewonnenen Impfdosen verimpft hat, dürfen die restlichen fünf Impfdosen aus hygienischen Gründen nicht mehr transportiert bzw. anderweitig verwendet werden – was bei diesem kostbaren Gut einer unverantwortlichen Verschwendung gleichkäme.

„Uns ist bewusst, dass das für die Betroffenen und auch für sich bildende ehrenamtliche Initiativen im Moment eine sehr unbefriedigende Situation ist. Aber derzeit sind uns leider die Hände gebunden. Insofern können wir Impfwillige nur um Verständnis und Geduld bitten“, fasst der Erste Landesbeamte des Enzkreises, Wolfgang Herz, der im Landratsamt auch den Corona-Verwaltungsstab leitet, die aktuelle Situation zusammen. Andererseits sei das Geschehen im Moment insbesondere mit Blick auf eine Ausweitung des Einsatzbereiches der MITs sehr dynamisch, so dass er zuversichtlich sei, dass in nächster Zeit auf höherer Ebene Bewegung in das Thema komme. „Parallel dazu werden wir auf kommunaler Ebene – in Abhängigkeit von der verfügbaren Impfstoffmenge – natürlich ebenfalls nach praktikablen Lösungen suchen und zeitnah darüber informieren.“

Termine beim Kreisimpfzentrum in Mönsheim werden ab dem 19. Januar freigeschaltet und können dann online auf der zentralen Plattform www.impfterminservice.de oder telefonisch unter der bundesweiten Nummer 116 117 vereinbart werden. „Es ist bei diesem zentral ausgelegten System nicht möglich, direkt einen Termin auszumachen. Im Interesse eines gerechten Zugangs aller Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg zu den Impfzentren des Landes und bei aktuell nicht ausreichenden Impfdosen für alle macht das durchaus Sinn“, erläutert Landrat Bastian Rosenau. „Ich hoffe aber, dass in naher Zukunft ausreichend Impfstoff vorhanden ist und dann auch hier flexibel gehandelt werden kann.“

Alles Wissenswerte zu den Impfzentren und zum Impfen allgemein findet sich auf der Homepage des Enzkreises unter www.enzkreis.de/corona. Wer noch Fragen hat, kann sich  telefonisch an die Hotline unter 07231 308-6850 oder per Mail an corona(at)enzkreis.de wenden. (enz)