Tarifverträge fristgerecht gekündigt

Wenn nötig ab dem 24. Januar erste Warnstreiks geplant

bei Georg Kost

Bei der Firma Karl Scheufele in Birkenfeld haben die Beschäftigten mit einem sogenannten stillen Protest begonnen. Archivfoto IG Metall

PFORZHEIM/ENZKREIS, 10.01.2023 (pm) – Die Tarifkommission der IG Metall für die Schmuck-, Uhren- und Edelmetallindustrie fordert für die rund 10.000 Beschäftigten im Südwesten eine tabellenwirksamen Entgelterhöhung von acht Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten für alle Beschäftigten, Auszubildenden und dual Studierenden.
Barbara Resch, Verhandlungsführerin der IG Metall: “In vielen Betrieben der Branche läuft es gut, die Auftragsbücher sind trotz anbahnender Rezession voll.
10Dem gegenüber stehen eine hohe Inflation sowie steigende Kosten für Energie und Lebensmittel. Deswegen muss jetzt die private Kaufkraft nachhaltig gestärkt werden. Dazu müssen die Arbeitgeber einen relevanten Beitrag leisten, um die Beschäftigten zu entlasten und sie an Profiten und Gewinnen teilhaben lassen.“ In der anstehenden Tarifrunde soll die Forderung von acht Prozent einen Beitrag zur Kaufkraftstabilisierung leisten und die Beschäftigten angemessen an der überwiegend guten wirtschaftlichen Lage der Branche beteiligen.

Liane Papaioannou, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Pforzheim, fügt hinzu, dass die Tarifrunde der Edelmetallindustrie gerade in Pforzheim und dem Enzkreis sehr bedeutend ist. „Die Tarifverträge wurden fristgerecht gekündigt und die Forderung wurde dem Verband übermittelt“ so Papaioannou. Im Dezember fand das erste Treffen mit dem Arbeitgeberverband statt, an dem die Verhandlungstermine festgelegt wurden. Der erste Verhandlungstermin ist für den 23.01.2023 angesetzt. „Wir gehen nicht davon aus, dass es eine leichte Tarifrunde wird, daher sind wir vorbereitet und startklar, um wenn nötig ab dem 24.01.2023 mit Warnstreiks zu beginnen“ so Papaioannou weiter.

Bei der Firma Karl Scheufele in Birkenfeld haben die Beschäftigten mit einem sogenannten stillen Protest begonnen, welchen sie begleitend zur Tarifrunde und wenn nötig auch darüber hinaus weiterführen werden. Dies erläutert der Betriebsratsvorsitzende von Karl Scheufele „Hintergrund ist, dass unser Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist. Die letzte tabellenwirksame Entgelterhöhung gab es 2018 und daher ist klar, dass es jetzt etwas geben muss. Die Belegschaft hat verstanden, dass ihr Arbeitgeber durch die Tarifflucht nicht mehr an die Tarifabschlüsse gebunden ist und es passieren kann, dass sie nichts bekommen. Sie sind daher sehr verunsichert und enttäuscht“ so Jürgen König. „Bei uns gibt es keine Tradition laut und protestierend auf die Straße zu gehen, aber die Idee des „stillen Protests“ fanden wir passend für uns und haben schon im Dezember damit begonnen. Wir laufen in der Mittagspause zwei Runden um das Firmengelände und tragen dabei gelbe Warnwesten – die Farbe Rot wird bei uns nicht gern gesehen“. So König.

Für die Tarifrunde Edelmetall sind unter anderem Warnstreiks bei den Firmen DODUCO Contacts and Refinding und DODUCO Solutions im Alltgefäll geplant. „Bei uns wird es das Gegenteil vom Karl Scheufele, wir werden lautstark zur Kundgebung aufrufen und unseren Unmut deutlich machen. Wir fahren in der Edelmetallindustrie seit Jahren gute Gewinne ein und es kann nicht sein, dass die Belegschaften daran nicht beteiligt wird.“ So Peter Marincek, der Betriebsratsvorsitzende von DODUCO Contacts and Refinding. „Wir haben unseren Organisationsgrad in den letzten Jahren deutlich erhöht und wir sind kampfbereit“ so Marincek weiter.

Martina Walter, Pressesprecherin der IG Metall Pforzheim, gibt einen Überblick über die zwischen 01. Oktober und 30. November 2022 stattgefundenen Wahlen der Schwerbehindertenvertretungen. Die Wahlen werden von den Amtierenden Schwerbehindertenvertretern in den Betrieben eingeleitet. Wenn es noch keine Schwerbehindertenvertretung gibt, kann der Betriebsrat einen Wahlvorstand berufen. „Im Jahr 2018 hatten wir insgesamt 28 Schwerbehindertenvertretungen in der Geschäftsstelle Pforzheim“ so Walter. „Aktuell haben wir aus 22 Betrieben Rückmeldungen erhalten und von diesen sind 19 Mitglied bei der IG Metall.“ so Walter weiter. „In Deutschland hat inzwischen fast jeder zehnte Mensch eine Schwerbehinderung, das sind 7,8 Millionen Schwerbehinderte Menschen und hier sind die Gleichgestellten noch nicht berücksichtigt.“

Sven Czmal Schwerbehindertenvertreter bei Mahle Behr in der Region Mühlacker ergänzt, warum es wichtig ist, dass in den Betrieben eine eigene Schwerbehindertenvertretung gewählt wird. „Wir sind diejenigen, die die Betroffenen bei sämtlichem Unterstützen, sei es gegenüber der Rentenversicherung, Anträge auf Anerkennung einer Schwerbehinderung und Gleichstellungsanträge oder auch, wenn Widersprüche eingelegt werden müssen. Wir helfen bei Wiedereingliederung und sind bei den BEM (Betriebliches Eingliederungs-Management) Gesprächen dabei. Wir arbeiten mit dem Integrationsamt zusammen und bilden hier eine Schnittstelle zu den Versorgungsämtern, den Rentenversicherungen dem Betriebsrat und dem Inklusionsbeauftragten im Betrieb. Wir haben vor allem die Prävention im Auge, so dass erst gar keine Langzeitfolgen durch veraltete Maschinenparks und unergonomisches Arbeiten entstehen kann.“ Ab fünf Schwerbehinderten oder Gleichgestellen Beschäftigten kann im Betrieb eine eigene Schwerbehindertenvertretung gewählt werden.

Ebenfalls haben zwischen Oktober und November 2022 die Wahlen der Jugend- und Auszubildendenvertretungen stattgefunden. „Die Anzahl der wahlfähigen Betriebe hat sich in den letzten Jahren stark reduziert. Das passt nicht zu dem, dass die Arbeitgeber überall nach Fachkräften rufen, dann aber selbst keine Auszubildende einstellen“ so Walter. „Erfreulich ist aber, dass wir in vier Betrieben zum ersten Mal eine jugend- und auszubildende Vertretung wählen konnten“ so Walter.

Sofia Brandt, jugend- und auszubildenden Vertreterin der AGISO AG betont, warum es wichtig ist, eine jugend- und auszubildende Vertretung zu wählen „Ich habe zum zweiten Mal kandidiert und wurde wiedergewählt. Das zeigt, dass das Vertrauen, welches die Azubis mir gegenüber bringen groß ist. Ich nehme ihre Themen, Fragen und Wünsche ernst und versuche bestmöglich in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der IG Metall die Anliegen zu bearbeiten, so dass sich unsere Ausbildung kontinuierlich verbessert. Der Austausch mit anderen JAV´ies und Azubis aus anderen Betrieben ist dabei immens wichtig, darum bin ich sehr froh, dass es den Orts-Jugend-Ausschuss der IG Metall gibt, bei dem wir uns regelmäßig treffen und austauschen können“ so Brandt.