Höhere Aufklärungsquote trotz gestiegener Fallzahlen

bei Georg Kost

© Innenministerium Baden Württemberg

PFORZHEIM, 26.02.2021 (pol) – Für das Jahr 2020 wurden in der Region Nordschwarzwald 24.228 Straftaten polizeilich registriert (2019: 22.709). Dies bedeutet einen Anstieg um 6,7Prozent. Landesweit war ein Rückgang um 6,1 Prozent zu verzeichnen.
Im Stadtgebiet Pforzheim erhöhte sich die Anzahl der Straftaten um 66 Fälle auf 9.282. Im Enzkreis ist ein Anstieg auf 5.433 Fälle (2019: 5.042) und im Landkreis Calw auf 5.411 Straftaten (2019: 4.347) zu verzeichnen. Der Landkreis Freudenstadt weist einen minimalen Rückgang auf (2020: 4.102, 2019: 4.104 Fälle).

Auffällige Zunahmen gab es bei den Straftaten gegen die persönliche Freiheit (+ 238 Fälle), bei Beleidigungen (+ 447 Fälle) und beim Warenbetrug (+ 203 Fälle). Noch deutlicher stiegen die Straftaten unter Ausnutzung sexueller Neigungen (+ 156 Fälle) und die Verbreitung pornografischer Schriften (+ 152 Fälle) an.

„Die Ursachen für Kriminalität und damit auch für diese Entwicklungen sind vielschichtig“, erläutert Polizeipräsident Wolfgang Tritsch. „Die Anstiege der Fallzahlen sind unter anderem auf pandemiebedingte Veränderungen der Tatgelegenheiten, auf Rechtsänderungen oder auch ein verändertes Anzeigeverhalten zurückzuführen. Wenn wir uns intensiv um beispielsweise die Aufhellung des Dunkelfeldes im Bereich der Rauschgiftkriminalität kümmern, steigen die Fallzahlen. Hinzukommen reformbedingte Erfassungsverzögerungen von rund 2.000 Straftaten aus dem Jahr 2019“.

Stichwort Tatgelegenheiten: „Das Kriminalitätsgeschehen verlagert sich zunehmend in die digitale Welt. Wir sehen eine Verlagerung weg von der Straßenkriminalität hin zu Vermögens- und Fälschungsdelikten und hier insbesondere zur Cyberkriminalität. Dies ist sicher auch eine Folge pandemiebedingter Ausgangsbeschränkungen“, so die Leiterin der Kriminalpolizeidirektion Sandra Zarges. Die seit 2017 ansteigenden Fallzahlen Cybercrime erreichten 2020 mit 2.215 Fällen (+ 70,0Prozent gegenüber 2019) einen Höchststand. Mit + 97,5 Prozent auf 624 Fälle (2019: 316) fiel der Anstieg im Landkreis Calw am deutlichsten aus. „Ermittlungen in diesem Deliktsbereich sind mit einem enormen personellen, technischen und zeitlichen Aufwand verbunden und führen häufig zur Aufklärung weiterer Straftaten und damit zu einem signifikanten Anstieg der Fallzahlen“, so Zarges.

Trotz einem Mehr an Fällen konnte die Aufklärungsquote um knapp vier Prozentpunkte auf 64,2Prozent gesteigert werden. Spitzenreiter ist hier der Landkreis Calw mit 66,2 Prozent vor dem Stadtkreis Pforzheim mit 65,3 Prozent, dem Landkreis Freudenstadt mit 64,7 und dem Enzkreis mit 59,8 Prozent. „Dies ist ein beeindruckender Beleg erfolgreicher Ermittlungsarbeit der Kolleginnen und Kollegen. Wir haben seit Gründung des Polizeipräsidiums Pforzheim etliche Ermittlungsgruppen und Sonderkommissionen zur Aufklärung herausragender Delikte und Tatserien eingerichtet“, so Polizeipräsident Tritsch.

Korrespondierend mit der hohen Aufklärungsquote stieg auch die Anzahl der Tatverdächtigen um 12,0 Prozent auf 11.777. Deutsche Tatverdächtige weisen dabei ein Plus um 13,4 Prozent auf 7.416 auf. Sie nahmen damit deutlicher zu als nichtdeutsche Tatverdächtige (+ 9,8 Prozent auf 4.361).

Bei den als „Opferdelikte“ bezeichneten Straftaten gegen das Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wurden 5.157 (2019: 4.445) Opfer erfasst. Das bedeutet einen Anstieg um 16,0Prozent. Dennoch weist das Polizeipräsidium Pforzheim die geringsten Opferzahlen im landesweiten Vergleich aller Regionalpräsidien auf.

Entgegen dem Landestrend stieg die Kriminalitätsbelastung um 6,3 Prozent auf 4.018 Straftaten pro 100.000 Einwohner, liegt damit aber deutlich unter der landesweiten Häufigkeitsziffer von 4.852.

Im Vergleich aller 13 regionalen Polizeipräsidien nimmt das Polizeipräsidium Pforzheim damit Platz 4 der sichersten Dienstbezirke ein. Der Enzkreis ist weiterhin der sicherste der 35 Landkreise in Baden-Württemberg. Pforzheim liegt unter den neun kreisfreien Großstädten das fünfte Jahr in Folge auf Platz 2. Der Landkreis Calw belegt bei der Häufigkeitszahl Platz 11 und der Landkreis Freudenstadt Platz 13.

Straftaten gegen das Leben
Straftaten gegen das Leben gingen um einen auf 26 Fälle zurück und befinden sich damit auf dem zweithöchsten Stand im Zehnjahresvergleich. Die Kriminalpolizei hat zur schnellen Reaktion auf besondere Einsatzlagen einen Personalpool von speziell ausgebildeten Beamten eingerichtet und Sonderkommissionen und Ermittlungsgruppen kalendarisch vorbereitet. Beispielfall zur SOKO Wald: Ein 51-jähriger Geschädigter aus dem Raum Mühlacker wurde seit dem Abend des 07.12.2020 vermisst. Auf Grund der Begleitumstände, darunter die Feststellung des Fahrzeugs vom Geschädigten in der Nähe von Großglattbach und Feststellungen am späteren Tatort, einem kleinen Waldparkplatz, erhärtete sich der Verdacht auf ein Kapitalverbrechen, so dass die SOKO Wald mit Sitz beim KK Pforzheim eingerichtet wurde. Am 09.12.2020 fand man in Enzberg das Opfer in dessen PKW auf. Der Geschädigte verstarb auf Grund erheblicher Gewalteinwirkung. Der dringende Tatverdacht richtet sich gegen die 48- jährige Ex- Ehefrau des Opfers und deren 43-jährigen Lebensgefährten und Ex-Chef des Geschädigten. Beide Beschuldigte befinden sich seit dem 17.12.20 in Untersuchungshaft. Das Tatmotiv dürfte im finanziellen Bereich der ehemaligen Geschäftsgebaren zwischen dem Opfer und den Tatverdächtigen liegen, um eine Straftat zu verdecken.

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
In diesem Deliktsbereich stiegen die Fallzahlen um 44,3Prozent von 406 (2019) auf 586 an. Besonders fällt der Anstieg bei der Verbreitung pornographischer Schriften um 135,7 Prozent auf. Darunter fallen auch Herstellung, Erwerb/Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie. Die Entwicklung in diesem sensiblen Deliktsbereich fällt deutlich negativer als in den Vorjahren aus. Sie wird durch die pandemiebedingte verstärkte Nutzung des Internets bzw. von Chatgruppen, auch durch Minderjährige, begünstigt. „Wir als Polizei bündeln unsere Ermittlungskompetenzen in diesem Bereich und werden eine gemeinsame Ermittlungsgruppe bei der Kriminalpolizeidirektion in Calw einrichten, um dem Phänomen Kinder- und Jugendpornografie noch konsequenter entgegenzuwirken“, ergänzte Kripochefin Sandra Zarges.

Rohheitsdelikte, Straftaten gegen die persönliche Freiheit
Es wurden 601 Fälle mehr als im Vorjahr (2020: 3.977) registriert. Gründe für eine Zunahme der Fallzahlen im Bereich der Körperverletzungsdelikte, Bedrohungen, Nötigungen sind auch in einem sensibleren Anzeigeverhalten sowie der Möglichkeit, Strafanzeigen online zu erstatten, zu suchen. Bei den Körperverletzungen ohne Qualifizierung stiegen die Fälle um 17,1Prozent auf 2.106. Die Bedrohungen nahmen um 166 Fälle auf 559 Delikte zu und bei den Nötigungen (inklusive Straßenverkehr) ist eine Steigerung um 63 Fälle auf 294 zu erkennen.

Vermögens-/Fälschungsdelikte
Die Tatgelegenheitsstrukturen haben sich wie zuvor beschrieben aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen verändert. Der Warenbetrug als Teil der Cybercrime erfuhr eine Steigerung um 40,8 Prozent (203 Fälle) auf 700 Fälle. Betrüger eröffnen Konten bei Verkaufsplattformen, die mit echten Personendaten hinterlegt sind, und bieten Waren zum Verkauf an, die sie weder besitzen noch nach Bezahlung liefern werden. Unter den Begriff Vermögens-/Fälschungsdelikte fallen auch die sog. Anrufstraftaten durch „Falsche oder angebliche Polizeibeamte“ und mittels „Enkeltrick“. 399 dieser Fälle gelangten zur Anzeige, wobei über 90Prozent glücklicherweise im Versuchsstadium stecken blieben. Bei 37 vollendeten Fällen kam es allerdings zu einer Schadenssumme von 821.733 Euro. Lediglich ein „Enkeltrick-Fall“ konnte geklärt werden. Der Aufklärungsarbeit von potenziellen Opfern, Angehörigen und Nachbarn oder auch Bankmitarbeitern kommt weiterhin eine besondere Bedeutung zu, damit diese Personen frühzeitig misstrauisch werden und zeitnah Anzeige erstatten. „Bei den Phänomenen „Angeblicher Polizeibeamter“ und „Enkeltrick“ können wir leider keine Entwarnung geben. Die überwiegend aus dem Ausland agierenden Täter gehen bei ihren Anrufen sehr kreativ und überzeugend vor und suggerieren durch konstruierte Notfälle eine gewisse Hektik, um die Opfer einzuschüchtern“, erklärt Sandra Zarges. Hinweis: Aufgrund der Übernahme bundesweiter Erfassungsrichtlinien werden die Straftaten anders erfasst und sind daher zahlenmäßig nicht mit den Vorjahren vergleichbar.

Rauschgiftkriminalität
Insgesamt 1.839 Fälle wurden im Jahr 2020 in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Dies bedeutet eine Zunahme um 121 Fälle und zugleich eine Aufhellung des sogenannten Dunkelfelds durch verstärkte Kontrollmaßnahmen der Polizei.

Diebstahldelikte
Mit dem Anstieg bei den Vermögens-/Fälschungsdelikten geht ein deutlicher Rückgang der Diebstahlsdelikte (2020: 5.935, 2019: 6627) einher. Der Diebstahl unter erschwerten Umständen ging um 23,2 Prozent (569 Fälle) auf 1.884 Fälle zurück. Besonders hervorzuheben sind Wohnungseinbruchsdiebstähle, die im Polizeipräsidium Pforzheim sogar stärker als im Landestrend (- 27 Prozent) mit 30,0Prozent auf 208 (2019 = 297) Fälle rückläufig sind und ein Zehnjahrestief erreichten. Die Aufklärungsquote wurde um nahezu 10 Prozentpunkte auf 18,3Prozent gesteigert. „Damit wurde nahezu jeder fünfte Wohnungseinbruch geklärt. Und das Einbruchsrisiko wurde erheblich reduziert. Dies ist sicherlich neben pandemiebedingt geringeren Tatgelegenheiten – die Leute waren einfach mehr zu Hause als sonst – auf unsere konsequenten polizeilichen Bekämpfungsmaßnahmen zurückzuführen“, hatte Polizeipräsident Tritsch als positive Nachrichten zu vermelden.

Straßenkriminalität
Auch bei den als Straßenkriminalität zusammengefassten Delikten, wie Raub, Vergewaltigung, Sachbeschädigung im öffentlichen Raum, ist mit 3.215 (2019: 3.688) Fällen ein Zehnjahrestiefststand zu verzeichnen. „Der Rückgang ist sowohl auf pandemiebedingte „Lockdownphasen“ als auch auf polizeiliche Präsenzmaßnahmen, zum Beispiel im Rahmen der Konzeption Sicherheit in Pforzheim oder unsere Corona-Streifen zurückzuführen. Der Fallzahlenrückgang ist in allen unseren Landkreisen und im Stadtkreis Pforzheim feststellbar und jede vierte dieser Straftaten wird aufgeklärt. Gerade dieses Deliktsfeld ist auch für das Sicherheitsgefühl bedeutsam. Deshalb werden wir in unseren Präsenzbemühungen nicht nachlassen“, verspricht der Polizeipräsident.

Gewalt gegen Polizeibeamte
Die seit Jahren ansteigenden Delikte zum Nachteil von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten haben mit 217 (2019: 146) Fällen und 476 (2019:354) verletzten Kolleginnen und Kollegen einen traurigen Spitzenwert erreicht. Die Fallzahlen sind annähernd um die Hälfte (48,6Prozent) und die Anzahl der Verletzten um mehr als ein Drittel (34,4Prozent) gestiegen.

Bilanz und Ausblick
„Im ersten Jahr als Polizeipräsidium Pforzheim haben meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Trotz ansteigender Fallzahlen und besonderer Herausforderungen durch die Corona-Pandemie konnte die Aufklärungsquote gesteigert werden. Durch Fortführung bewährter Maßnahmen und zielgerichtete Optimierungen, wie der Einrichtung einer Ermittlungsgruppe zur Verfolgung von Kinderpornografie und einer Koordinierungsstelle für häusliche Gewalt, wollen wir insbesondere die Schwächsten vor Gewaltanwendungen schützen und in diesen sensiblen Bereichen einen besonderen Sicherheitsbeitrag leisten. Getreu unserem Leitsatz „Mit Sicherheit nah am Menschen“ sind und bleiben wir eine nahbare und erreichbare Polizei für alle Menschen in der Region Nordschwarzwald. Dabei ist die subjektive Sicherheit und mithin eine polizeiliche Präsenz im urbanen und ländlichen Raum ein wichtiger Baustein“, so Polizeipräsident Wolfgang Tritsch abschließend.