LEONBERG, 30.06.2022 (pm) – Der Verkehrsversuch in der Eltinger- und Brennerstraße läuft seit Dienstag, 14. Juni. Seitdem haben Busse und Radfahrende ihre eigene Spur. Autos hingegen können nur noch zwei von vorher vier Spuren nutzen. Der halbjährige Versuch gehört zum Großprojekt „Stadt für Morgen“. Es soll Leonberg von einer autogerechten Stadt in eine Kommune entwickeln, in der alle Verkehrsteilnehmenden, also Fußgängerinnen und Fußgänger, Radfahrende, der ÖPNV und Autos gleich gewichtet werden. Das Ziel ist es, die verschiedenen Formen des Individualverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs umzustellen und besser zu vernetzen. Einige Fragen und Vorwürfe zum Verkehrsversuch sind in der Bürgerschaft aufgekommen. Die Häufigsten werden hier beantwortet.
- Die provisorische Umweltspur wurde ohne Überlegungen eingeführt
– Das Ziel des Verkehrsversuchs ist es, den Verkehrsraum in der Leonberger Innenstadt neu aufzuteilen, an die Verkehrswende anzupassen und den Radfahrenden sowie Fußgängerinnen und Fußgängern mehr Raum zu geben.
– Aus der Mitte des Gemeinderates wurde beantragt, zunächst eine Verkehrssimulation (rein digital) und später einen Verkehrsversuch in der Realität durchzuführen. Es sollte überprüft werden, ob die City eine Reduktion von vier auf zwei Fahrbahnen verträgt.
– Die für Autofahrende gesperrten Fahrbahnen wurden vorerst zu einer Umweltspur umfunktioniert, die nur Busse und Radfahrende nutzen dürfen.
– Wie der Raum bei positivem Ergebnis des Verkehrsversuchs tatsächlich aufgeteilt wird, ist noch völlig offen. Das soll mit Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet und anschließend im Gemeinderat entschieden werden.
– Die Planungen zur „Stadt für Morgen“ laufen seit Juni 2021. Das Teilprojekt Verkehrsversuch wurde seit September 2021 geplant. Die Grundlagen für den Verkehrsversuch lieferte eine sogenannte Verkehrszählung, die im Jahr 2020 und 2021 durchgeführt wurde. Die Ergebnisse des Versuchs sollen in die Planungen für das Großprojekt „Stadt für Morgen“ einfließen.
- Die anderen Geh- und Radwegekonzepte werden wegen des Verkehrsversuchs vernachlässigt
Das Referat für innovative Mobilität kümmerte sich in der Vergangenheit und auch weiterhin um das Geh- und Radwegenetz in ganz Leonberg. Bei dem geplanten Radweg zwischen Leonberg und Ditzingen (Feuerbacher Straße) finden derzeit Verhandlungen mit den Grundstücksbesitzenden statt, die Teile ihrer Grundstücke verkaufen müssten, damit der Radweg umgesetzt werden kann. Für weitere Teilmaßnahmen auf anderen Streckenabschnitten gibt es bereits konkrete Pläne. Außerdem wird die gesamte Radwegekonzeption gerade überarbeitet. Seit Juni 2022 kümmert sich darum unter anderem ein neuer Mitarbeiter in der Stadtverwaltung – der Fahrradkoordinator.
- Die Verkehrsführung des Verkehrsversuchs ist unübersichtlich und dauernd unterbrochen
Aufgrund der komplexen Verkehrsführung an Knotenpunkten konnte das Referat für innovative Mobilität leider nicht alle Bereiche der Innenstadt beim Verkehrsversuch abdecken. An vielen Stellen wären dazu umfangreiche Baumaßnahmen nötig gewesen. Voraussetzung für den Versuch war aber, dass die Maßnahmen leicht umkehrbar sind. Daher war es auch notwendig, die provisorische Umweltspur an einigen Stellen zu unterbrechen, wie zum Beispiel in der Brennerstraße und am Neuköllner Platz sowie an Kreuzungen, Einmündungen und Knotenpunkten.
- Der Verkehrsversuch macht den Fahrradverkehr gefährlicher als zuvor
Die Radwegeführung ist seit zwei Wochen neu. Daran müssen sich alle Verkehrsteilnehmende, die häufig die Eltinger- und Brennerstraße nutzen, gewöhnen. Autofahrerinnen und Autofahrer, die eine Spur wechseln oder abbiegen wollen, mussten auch vor dem Verkehrsversuch blinken, den Seitenspiegel nutzen und einen Schulterblick machen. Beim Abbiegen auf herannahende Radfahrende achten zu müssen, hat sich durch den Verkehrsversuch nicht geändert.
- Eine Radspur sollte nicht zwischen Hauptstraße und Parkplätzen verlaufen
Eine provisorische Umweltspur muss genau hier errichtet werden. Rechts der Parkbuchten ist aufgrund der städtebaulichen Gesamtsituation hierfür zu wenig Platz und gefährdet Fußgängerinnen und Fußgänger. Die derzeit geltende Umweltspur ist nicht nur für Fahrradfahrende, sondern auch den öffentlichen Nahverkehr vorgesehen.
- Die Verkehrssimulation liefert keine gesicherten Erkenntnisse
Heutige moderne Verkehrssimulationen sind in der aktuellen Planungswelt ein gängiges und erprobtes Mittel und liefern aussagekräftige Erkenntnisse, um die Auswirkungen von Planungen im Vorfeld zu bewerten. Aufgrund der hohen Bedeutung und der maßgeblichen Auswirkungen, die mit dem geplanten Stadtumbau einhergehen, hält die Stadtverwaltung Leonberg aber einen zusätzlichen Test unter Realbedingungen für sinnvoll und wichtig – den Verkehrsversuch.
- Der Verkehrsversuch soll ausschließlich den Verkehr ausbremsen und den Autofahrenden schaden
Ziel des Großprojekts „Stadt für Morgen“ ist es, unter anderem die Lage in der Innenstadt an die Verkehrswende anzupassen, die Aufenthaltsqualität zu erhöhen und die Stadt grüner zu machen. Der Verkehrsversuch als Teil davon soll überprüfen, ob die Reduktion der Fahrbahnen verträglich ist. Da in der Innenstadt nicht grenzenlos Platz zur Verfügung steht, um eine weitere Spur etwa für den ÖPNV und Radverkehr einzurichten, muss der Autoverkehr auf einen Teil seines Platzes verzichten.
- Der Stau, der in der Innenstadt durch den Verkehrsversuch entsteht, führt zu einer hohen Feinstaubbelastung und macht krank
Die Stadt Leonberg wird prüfen, ob eine Feinstaubmessung an geeigneter Stelle realisiert werden kann.
- Die Umweltspur ist ein Hindernis für Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen
Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst dürfen die Umweltspur im Bedarfsfall nutzen.
- Wegen der Umweltspur kürzen viele Autofahrende ab und nutzen die Nebenstraßen
Die Stadt Leonberg will eine Verkehrszählung durchführen, um zu überprüfen, wie viele Autofahrende die umliegenden Straßen nutzen.
- Wenn Stau auf der Autobahn entsteht, führt das zu einem Verkehrschaos
Die Leonberger Straßen sind mit und ohne Verkehrsversuch bisher nicht in der Lage das hohe Verkehrsaufkommen der Autobahn staufrei abzuwickeln, wenn sie gesperrt ist. Dies zeigen die bisherigen Erfahrungen.
Um dem Ausweichverkehr entgegenzuwirken, beteiligt sich die Stadt Leonberg am Regio-WIN Projekt, Regionale Mobilitätsplattform. Das Projekt wird mit Mitteln von EU und Land gefördert und vernetzt den Leonberger Verkehrsrechner mit vielen weiteren Verkehrszentralen in einer übergeordneten Verkehrszentrale der Region Stuttgart. Die Zusammenführung der Daten und Informationen ermöglicht die Erstellung eines Live-Lagebilds des Verkehrs in der Region und eine stadtgrenzenüberschreitende Reaktion auf die aktuelle Verkehrslage. Um bei hohem Verkehrsaufkommen die Leonberger City zu entlasten, haben die Verkehrsplaner regionale Steuerungsstrategien entwickelt. Im Verbund mit weiteren Maßnahmen entlang der Autobahn und in den Nachbarstädten soll der Verkehr in Leonberg dann künftig über intelligente Zuflusssteuerungen vor den Toren der Engelbergstadt gesteuert werden. Zusätzlich werden weitere Ampeln innerhalb der Stadtgrenzen optimiert. Das Projekt befindet sich in der Umsetzungsphase.
- Die Stadt hatte noch Geld zur Verfügung und wusste damit sonst nichts anzufangen
Alle Kommunen stehen aufgrund des fortschreitenden Klimawandels vor riesigen Herausforderungen. Ein „Weiter so“ ist nicht mehr möglich. Auch Leonberg muss sich den Gegebenheiten anpassen und ändern. Die Stadt stellt sich deshalb verantwortungsbewusst dagegen und will eine Mobilitätswende vorantreiben. Das Projekt „Stadt für Morgen“ ist daher eines der wichtigsten Vorhaben der nächsten Jahrzehnte und soll Leonberg in eine sozial- und klimagerechte, grüne, innovative Stadt verwandeln. Ein Teilprojekt der „Stadt für Morgen“ ist der Verkehrsversuch. Die Mittel für die Umsetzung wurden für den Haushalt 2022 im vergangenen Jahr angemeldet und vom Gemeinderat beschlossen. Das Land Baden-Württemberg hat Unterstützung der Leonberger Maßnahmen bereits zugesichert und ist von den Plänen überzeugt. Für den Umbau der Poststraße etwa wurden Fördermittel beantragt und ein Zuschuss in Höhe von 52 Prozent genehmigt. Der Gemeinderat hat den Umbau zur „Stadt für Morgen“ beschlossen, wenn sich das Land bei allen notwendigen Maßnahmen mit mindestens 50 Prozent an den Kosten beteiligt.
- Der Verkehrsversuch findet bewusst nur in den Ferien statt, um das geringere Verkehrsaufkommen für gute Ergebnisse zu nutzen
Der Verkehrsversuch begann am 14. Juni und läuft durchgehend noch voraussichtlich ein halbes Jahr. Damit werden auch längerfristige Erkenntnisse, außerhalb von Ferien und Feiertagen, gewonnen. Der Start des Versuchs lag nicht absichtlich in den Ferien. Durch Lieferengpässe bei den nötigen Straßenschildern, musste der Start verschoben werden.< Siehe auch Verkehrsversuch dauert sechs Monate >