ENZKREIS/KÖNIGSBACH-STEIN, 26.11.2022 (enz) – Was macht die Landwirtschaft im Enzkreis aus? Wer prägt unsere Kulturlandschaft und produziert unsere Nahrungsmittel vor Ort? Die Artikelserie „Farm-Fenster“ beleuchtet Aspekte der hiesigen Landwirtschaft und ihre Bedeutung für die Menschen in der Region. Dieser Teil der Reihe widmet sich der Geflügelhaltung am Beispiel eines Puten haltenden Betriebes.
Es ist ein typischer Familienbetrieb, der nördlich von Stein biologisch-dynamisch wirtschaftet. Fünf Menschen leben und arbeiten auf dem Hof: Der 37-jährige Daniel Schmider hat Maschinenbau und Landwirtschaft studiert und leitet gemeinsam mit seiner Frau Viktoria, seinen Eltern Birgitt (Hauswirtschaftsmeisterin) und Theodor (Wirtschafter des Landbaus) sowie seinem Bruder Christoph (Agrartechniker mit Schwerpunkt ökologischer Landbau) den vielseitig aufgestellten Betrieb.
„Seit 2012 produzieren wir Puten – als nach wie vor einziger Demeter-Betrieb im Enzkreis“, sagt Daniel Schmider. Außer den Puten halten die Schmiders etwa 40 Milchkühe und 60 Jungtiere – „nur von den Puten könnten wir nicht leben.“ 115 Hektar bewirtschaftet der Demeter-Hof; davon sind 40 Hektar Wiesen und Weiden. Auf der Ackerfläche werden Hafer, Weizen, Dinkel, Kleegras und Kartoffeln angebaut. „Dieses Jahr kamen auf vier Hektar noch Sonnenblumen dazu, um selbstgepresstes Öl für den Verkauf im Hofladen herzustellen“, verrät Schmider.
Das angebaute Getreide wird zur Hälfte als Futter eingesetzt: Ein Drittel des Bedarfs lässt sich durch die hauseigene Mischung abdecken, die mittlerweile auch den Pressrückstand der Sonnenblumen (Trester) enthält. „Eventuell können wir künftig auf dieser Basis das Futter zu 100 Prozent selbst herstellen“ – Familie Schmider möchte künftig möglichst nur selbst hergestelltes Futter für seine Tiere verwenden. Noch wird der größere Rest – Soja, Leinsamen und Pressrückstand von Raps – als Demeter-Futter zugekauft.
Von der Pute zum Schnitzel
Fünf Wochen sind die Puten-Jungtiere alt, wenn sie von einem Bioland-Betrieb in Pfullendorf zu den Schmiders kommen. Dort bleiben sie für 20 bis 25 Wochen – im konventionellen Bereich dauert die Mast dagegen meist nur 16 Wochen. Die männlichen Tiere, die Truthähne, werden 22 bis 24 Kilo schwer, die Hennen nur etwa 12 Kilo. „Die Tiere haben ein schönes Leben, denn meist sind sie draußen“, betont Daniel Schmider. Die Demeter-Richtlinien verlangen außerdem dreimal so viel Platz für das Einzeltier wie im konventionellen Bereich. Abends kommen die Puten in den Stall und morgens wieder auf die große Weide. Im Sommer geben die vielen Obstbäume Schatten und schützen zudem vor Greifvögeln. „Wegen der Weidehaltung bewegen sich die Tiere mehr, deshalb ist das Fleisch ausgereifter“, so Schmider. Im Vergleich zur konventionellen Haltung würden auch deutlich geringere Mengen von Medikamenten eingesetzt – „und auf keinen Fall prophylaktisch.“
Der anfallende Putenmist hat einen hohen Phosphor- und Stickstoffgehalt und stellt damit einen wertvollen Dünger dar. Er wird auf den eigenen Flächen ausgebracht, denn die Kreislaufwirtschaft ist ein wesentlicher Grundpfeiler in Demeter-Betrieben. Chemische Pflanzenschutzmittel oder Mineraldünger dürfen auf den Anbauflächen generell nicht eingesetzt werden. „Die häufigen Kontrollen im Stall bedingen natürlich einen höheren Aufwand an Arbeitszeit“, sagt der Landwirt. Auch deshalb sei das Fleisch teurer als im konventionellen Bereich.
Aus der Region für die Region
Für die Selbstvermarktung wurde in diesem Jahr ein eigenes Schlachthaus gebaut – sehr zur Freude von Ursula Waters, der Regionalmanagerin der Bio-Musterregion: „So können die im Enzkreis biologisch aufgezogenen Puten auch von unseren Bürgerinnen und Bürgern gekauft werden.“ Die Wertschöpfung bleibe in der Region, ein Tiertransport werde vermieden und die Umwelt geschont; zudem werde ein Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft geleistet, führt Waters weitere Vorteile der Regionalvermarktung an.
Die Kundschaft kommt aus allen Teilen der Bevölkerung. Viele kaufen bei Schmiders wegen der Regionalität, des Tierwohls und wegen der Bio-Qualität. „Bezüglich der Qualität gibt es sehr positive Rückmeldungen“, berichtet Birgitt Schmider. Schnitzel seien am meisten gefragt, aber natürlich bestehe so eine Pute nicht nur aus Brust. „Deshalb versuchen wir, den Leuten auch Keule, Gulasch, Steak oder Flügel schmackhaft zu machen. Wir wollen das ganze Tier verwerten – aus ethischen und aus ökologischen Gründen.“
Der eigene Verkauf sei anfangs sehr gut gelaufen, in der derzeitigen Krisensituation jedoch auf die Hälfte zurückgegangen. „Wir nutzen nur 380 unserer 1.000 Putenplätze“, sagt Daniel Schmider bedauernd, denn: „Wir stehen voll und ganz hinter einer regionalen Versorgung.“ Die momentane Lage zeige, dass es wichtig sei, Lebensmittel in der Region zu erzeugen, um unabhängig zu bleiben. „Außerdem können die Kundinnen und Kunden sehen, wie unsere Puten groß werden oder wie die Milch produziert wird und wo die Kartoffeln auf dem Acker wachsen“, meint er.
Der Hofladen, von Mutter Birgitt geführt, ist freitags und samstags geöffnet für spontane Einkäufe. Kundinnen und Kunden können sich auch für einen E-Mail-Verteiler melden, sodass sie Angebote direkt erhalten, studieren und natürlich auch bestellen können.